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Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Titel: Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
Autoren: Rachel Cohn
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möglichen Arten, sich selbst dazu zu zwingen, eine Wahl zu treffen. Eine Entscheidung. Wenn wir über jede Entscheidung, die wir treffen, nachdenken würden, wären wir wie gelähmt. Welches Wort als nächstes sagen. Welchen Weg an der nächsten Kreuzung wählen. Worauf unseren Blick richten. Welche Telefonnummer wählen. Man muss entscheiden, welche Entscheidungen man überhaupt in seinem Leben treffen will, und dann den Rest einfach so lassen. Erledigt sich von selbst. Es sind die Situationen, bei denen man glaubt, eine freie Wahl zu haben, die einen wirklich durcheinanderbringen können.
    Sie war nicht zu Hause. Damit fing es schon mal an. Der Pförtner ließ mich rauffahren, ich habe an der Tür geklingelt und sie war nicht da. Sie war nicht da, wo sie behauptet hatte zu sein. Vor zwei Monaten hätte mich das noch überrascht, aber inzwischen nervte es mich nur noch. Jeder kennt dieses Gefühl, wie es ist, auf jemand zu warten. Ich meine, wirklich auf jemand zu warten - vor einem Starbucks in der Kälte zu stehen und Hunderte von Leuten marschieren an dir vorbei. Und nichts anderes machen zu können als zu warten aus Angst, sie vielleicht zu verpassen - du musst sie nämlich schon lange vorher in der Menge entdeckt haben, sonst könnte es sein, dass sie einfach an dir vorbeiläuft, so was in der Art. Also stehst du da und machst nichts anderes, als daran zu denken, dass du dastehst und auf sie wartest. Manchmal guckst du vielleicht noch auf die Uhr oder auf dein Handy, um zu überprüfen, ob es nicht zufällig auf stumm gestellt ist, obwohl du erst vor einer Minute danach geschaut hast.
    So ungefähr fühlte es sich allmählich an, mit Naomi verabredet zu sein.
    Ich wählte ihre Nummer und legte auf, als ohne ein einziges Klingeln sofort die Mailbox ansprang. Welchen Sinn hätte es gehabt, dort noch eine dritte Nachricht zu hinterlassen? Hat es jemals einen Sinn, auf einer Mailbox eine dritte Nachricht zu hinterlassen?
    Ich stand einfach nur da und überlegte gerade, wie lange ich diesmal warten sollte. Da öffnete sich Elys Wohnungstür, und er kam barfuß heraus, in der Hand einen Müllsack, den er zum Müllschlucker tragen wollte. Er schaute mich an, grinste und sagte: »Lass mich raten.«
    Wir waren nie über das Stadium der »Hat sich halt so ergeben«-Bekanntschaft hinausgekommen. Er mochte mich nicht besonders, weil er mich für einen Langweiler hielt, und ich mochte ihn nicht besonders, weil er mich für einen Langweiler hielt. Aber wenn Naomi mit uns beiden zusammen ausgehen wollte, kamen wir ganz gut miteinander aus. Ich war dabei immer der unbeteiligte Zuschauer. Der ausgeschlossene Dritte. Ich war nicht eifersüchtig auf ihn - wie konnte ich, wo er doch schwul war? Ich war auf alle beide eifersüchtig - es war, als hätten sie schon immer genau die gleichen Reality-Shows geguckt, nur dass die Show, aus der sie alle ihre Witze und Anekdoten hatten, ihr eigenes gemeinsames Leben war und jede Episode immer noch lustiger zu sein schien als die davor. Ab und zu bemühte sich Naomi (und sogar Ely), mir eine der Anspielungen zu erklären, aber das verschlimmerte es nur noch, machte alles nur noch peinlicher und offensichtlicher. Mein einziger Trost war, dass die Nacht schließlich irgendwann enden würde, und dann würde Naomi mit mir nach Hause gehen und nicht mit ihm. Ich wusste, dass Ely der Meinung war, ich hätte Naomi nicht verdient, aber ich hatte das Gefühl, er wäre bei niemand der Meinung, er hätte Naomi verdient. So wie auch Naomi nie wirklich glücklich sein würde, wenn Ely mit jemand anders zusammen wäre. Um sich das so richtig vorzustellen, hier ein Beispiel aus dem guten alten Hollywood-Kino: Fred Astaire war verheiratet mit einer Frau, die nicht Ginger Rogers war, und Ginger Rogers war verheiratet mit einem Mann (sogar mit mehreren, glaub ich), der nicht Fred Astaire war. Aber gab es da irgendwelche Zweifel, wer ihre wirklichen und wahrhaftigen Tanzpartner waren? Klar, ich konnte ganz gut Naomis Freund sein. Ich konnte sogar der Junge sein, mit dem sie schlief (oder auch nicht). Aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich niemals ihr Tanzpartner sein würde.
    Ely fragte mich, ob ich reinkommen wollte, und ich dachte mir, warum eigentlich nicht. Ich meine, ich dachte mir, dann hätte ich einen Vorwand, um Naomi noch eine dritte Nachricht auf ihre Mailbox zu sprechen, und Naomi wüsste dann auch, wo sie mich finden konnte, wenn sie endlich aufkreuzte. War jedenfalls besser, als weiter im
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