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Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Titel: Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17
Autoren: Bastei Lübbe
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zaghaft gegen die halb offen stehende Tür. »Hallo?«
    Die Krankenschwester hob den Kopf. Dann rollte sie auf ihrem Bürostuhl ein Stück weit zurück. »Ja, bitte?«
    Kai bat um Entschuldigung und erklärte: »Ich suche jemanden.«
    »Außer mir ist niemand hier«, sagte sie und setzte wie eine Selbstvorstellung hinzu: »Ich bin die Nachtschwester.«
    »Ich meine niemanden vom Personal«, erwiderte er und griff nach dem Handy in der Hosentasche: »Ich habe ein Foto, das ich Ihnen zeigen kann.«
    Die Nachtschwester ging nicht darauf ein. Stattdessen bemerkte sie missbilligend: »Ihre Braunüle ist ja ganz nass«.
    Kai merkte, dass sie auf seinen Arm blickte. »Braunüle?«
    »Ich meine den Verband. Von Ihrem intravenösen Zugang. Der ist nass.«
    Kai war sich dessen gar nicht bewusst geworden. Es musste im Toilettenvorraum am Waschbecken passiert sein.
    Nun musterte die Nachtschwester ihn von oben bis unten, und ihre Missbilligung war mit Händen zu greifen.
    »Auf welcher Station liegen Sie denn?«, forschte sie.
    »Ich …« Kai stockte. Es war gewiss nicht ratsam, eine Station auf dieser Ebene zu nennen, wo die Schwester sich vielleicht gut auskannte. Daher improvisierte er: »Von Station 12.«
    Sie runzelte die Stirn. »Das ist die Kinderstation«, versetzte sie. »Mein Herr, sie scheinen etwas verwirrt zu sein. Ich glaube, ich sollte Ihre Station benachrichtigen, damit man Sie abholt.«
    »Aber erst einmal mache ich Ihnen den Verband neu«, beschloss sie, erhob sich vom Stuhl und holte eine Mullbinde aus dem Bedarfsschrank. »Kommen Sie ruhig herein.«
    Die Nachtschwester nahm seinen Arm und wickelte das durchweichte Verbandsmaterial ab. Zu ersten Mal erblickte Kai die Verweilkanüle, die in seiner Armvene steckte und mit einem Spezialpflaster vor dem Herausrutschen gesichert war. Das Ding ähnelte einer Libelle mit Stummelflügeln.
    »Das Fixierpflaster ist trocken geblieben, das können wir so lassen«, stellte die Schwester zufrieden fest und begann damit, die neue Mullbinde um seinen Arm zu wickeln. »Wenn Sie Ihren Namen wissen, sehe ich im Computer nach, auf welcher Station Sie liegen. Dann sag ich denen Bescheid, dass jemand herkommt und Sie abholt.«
    »Kai Weh–«, erwiderte Kai, unterbrach sich aber sofort selbst. Wehrmann , hätte er beinahe gesagt. Aber er war ja bereits in die Patientenkartei aufgenommen worden und verriet seinen richtigen Namen daher besser nicht.
    »Weh…, äh …, Westerwelle«, improvisierte er stattdessen. »Ich heiße Kai Westerwelle!«
    Sie saß wieder vor der PC-Tastatur. »Wes-ter-wel-le? Wie der Außenminister?«, fragte sie.
    »Ja, genau«, bekräftigte Kai. »Wie der frühere Außenminister.«
    Er hatte sich bereits unauffällig bis zur Tür des Schwesternzimmers zurückgezogen. Jetzt drehte er sich verstohlen um und strebte mit langen, schnellen Schritten durch den Stationsflur dem Ausgang zu.
    Er hatte fast die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, da vernahm er die empörte Stimme der Nachtschwester: »He, Sie! Hiergeblieben! Wo wollen Sie denn hin?«
    Jetzt rannte er. Doch seine Flucht wurde jäh gestoppt, als direkt vor ihm eine Tür aufschwang – die Tür von Patientenzimmer 11. Kai erkannte es daran, dass das Türschild mit der Zimmernummer beinahe gegen seine Nase prallte.
    Er sah nicht, was aus dem Zimmer hervorkam, denn die offene Tür versperrte ihm den Blick.
    Von hinten nahte die erboste Schwester. »Auch das noch!«, zeterte sie plötzlich.
    Fast in derselben Sekunde wie die Nachtschwester bemerkte auch Kai den alten Mann, der aus Zimmer 11 getapert kam. Er schob einen Tropfständer vor sich her und hatte nichts am Leib außer einem hinten offenen Klinikhemd und einer Windel.
    »Herr Procházka! Ich hab Ihnen doch schon tausendmal gesagt, dass Sie im Bett bleiben sollen!«, schimpfte die Schwester. Und während sie den Alten zurück ins Zimmer bugsierte, erreichte Kai den Ausgang, drückte die schwergängige elektrische Tür mir eigener Kraft auf und entkam.
    Kaum hatte Kai die Station verlassen, da hörte er auf zu rennen und warf einen Blick zurück. Ihm war klar, dass die Nachtschwester ihren Verantwortungsbereich nicht verlassen würde, nur um ihn wieder einzufangen. Er ging noch ein Stück weit und kam an mehreren weiteren Krankenstationen vorbei. Aber den Fehler, eine davon zu betreten, um Nachforschungen anzustellen, beging er kein zweites Mal.
    Wenn der Arzt in der Notaufnahme ihm nicht dieses Zeug gespritzt hätte, wäre Kai außer sich vor
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