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Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Titel: Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut
Autoren: Ivy Anderson
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antwortete er ihr auf Russisch.
    Als Papa wegen des Krieges im Feldlager war, begleitete Alexej diesen dorthin. Die Erlebnisse hatten beide zusammengeschmolzen. So war zum Beispiel der Sohn eines Generals in dieser Zeit gefallen. Da Papa Ljoschkas gutes Herz kannte, ließ er diesen bei dem trauernden Vater übernachten. Unser Bruder vermochte diesen alten Mann allein durch seine Nähe wieder aufzurichten und Trost zu spenden, obwohl er gerade elf Jahre alt war. Wir Schwestern und Mama pflegten in dieser Zeit die Verwundeten. Wir sahen dabei viel Leid.
    Keiner sprach nun ein Wort, da die Angst ihre dunklen Flügel ausgestreckt hatte. Ich war mit dreiundzwanzig Jahren das älteste Kind und bildete den äußeren Abschluss unserer verängstigten nächtlichen Gruppe.
    Es war jetzt 01:20 Uhr morgens. So standen wir verhöhnt und erniedrigt in diesem kühlen Zimmer und warteten auf weitere Anweisungen. Alle spürten, dass etwas anders als sonst war.
    Furcht schnürte unsere Hälse zu und ließ bei meiner Schwester Anastasija unentwegt Tränen kullern. Diesen Gefallen wollte ich den roten Bestien nicht gewähren.
    Wir würden sicher sterben. Das war unser letzter Morgen.
    Der kleine Zarewitsch hustete und weinte. Mama strich ihm zärtlich über das Gesicht. Ihr Blick lag jedoch beschwörend auf mir. Leider hatten wir uns oft gestritten, da ich sehr eigensinnig sein konnte. Wie gern hätte ich all meine harten Worte nun in Worte der Liebe verwandelt. Für mich war dies die kostbarste aller Familien. Ich umschloss die dunkle Ampulle in der Hand noch fester. Sie gab mir Halt.
    Papa sah mich traurig, aber konsterniert an. In seinen warmen Augen stand alle Liebe. Er verabschiedete sich so von mir.
    Diesmal würde ich jedoch Mamas Rat folgen. Warum hatte Papa nicht schon früher auf sie gehört?! Wer weiß besser als eine Mutter, was für ihre Kinder gut ist? Sein Rat erwies sich leider oft als falsch.
    Wir hätten dieses hinterhältige Land verlassen sollen, wie es uns die Verwandten unserer Mutter geraten hatten. Das Volk, dem Papa sich so verbunden fühlte, spuckte jetzt auf uns.
    In einem günstigen Moment, während ich mich bekreuzigte, ließ ich das kleine Gefäß in meinen Mund gleiten und positionierte es unter meinen Backenzähnen. Ein kräftiger Biss würde das dünne Glas bersten lassen. Ich wollte leben und nicht sterben! Noch nie war mir dies so kostbar erschienen. Mein Hals schnürte sich panisch zu. Verzweifelt wandte ich mich an Gott: Wenn es dich gibt, lass uns nicht sterben!
    Papa sah mich mit großen Augen an und schüttelte nochmals leicht den Kopf. Mama nickte mir fordernd zu.
    Ich schloss als Antwort ganz langsam und leicht meine Lider. Ein nur für mich erkennbares Lächeln zeichnete sich im besorgten Gesicht meiner wunderbaren Mutter ab. Diese bekreuzigte sich nun ebenfalls. Sie hatte mit dem Leben abgeschlossen. Dann sah sie liebevoll zu meinem Vater. Würde es das letzte Mal sein?
    Rasputin hatte alles richtig vorausgesagt. Wir Romanows würden vertilgt werden und Russland zusammenbrechen.
    Hätten doch nur die Weißgardisten Jekaterinburg schneller gestürmt. Es war besser, dabei zu sterben, als weiter von diesen herzlosen Monstern der Revolution erniedrigt zu werden.
    Die Tür öffnete sich. Die beiden Ungarn im Raum hielten demonstrativ ihre Hände an die Pistolen und funkelten uns mit bösen Augen an. Unsere Blicke wandten sich ängstlich, leider auch mit etwas Hoffnung gemischt, den Eintretenden zu.
    Im Türrahmen erschien die Gestalt des verhassten Kommandanten Jakow Michailowitsch Jurowski. Er ähnelte einer Ausgeburt der Hölle. Sein kalter, herzloser Blick richtete sich auf meine Mutter, die ehemalige Zarin von Russland. Demonstrativ holte er ein Schreiben aus seiner Jacke und grinste böswillig. Hinter ihm tauchten weitere Soldaten mit Gewehren auf, an denen wie auf dem Schlachtfeld Bajonette befestigt waren. Sie richteten diese nun auf uns.
    Die Kühle des Raumes wich einer anderen Kälte. Diese war der Atem des Todes. Nur wer schon einmal in der Nähe eines Sterbenden war, kennt ihn. Dieser Hauch lässt das Mark gefrieren und jeden bis in die Knochen erschauern.
    Voller Liebe versuchte ich nochmals meine Schwestern, unseren wundervollen und kranken Bruder, die geliebte Mama und unseren tapferen Vater mit einem letzten zärtlichen Blick zu bedenken. Diese starrten jedoch angstvoll auf Jurowski.
    Durch die vielen Heilsbücher, die wir in den letzten Monaten gelesen hatten, sollten wir eigentlich
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