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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche
Autoren: Baden & Kenney
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schlicht geweigert, mit aufs Revier zu kommen, und da die Cops für eine Festnahme nicht genug in der Hand hatten, mussten sie sich damit begnügen, ihre Ausweise zu überprüfen. Gott allein wusste, ob die echt gewesen waren.
    »Und was war mit Paco?«
    »Als wir auf dem Revier angekommen sind, haben sie uns in getrennte Räume gebracht, und seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen.«
    »Was haben Sie der Polizei erzählt?«
    »Genau dasselbe, was ich Ihnen jetzt erzählt hab. Dass Paco und ich eigentlich bei ihm zu Hause übernachten sollten, aber nach Hoboken gefahren sind, um uns diesen Club anzusehen, und dass wir da die anderen kennengelernt haben. Dass einer von denen an dem Briefkasten was fallen gelassen hat und wir alle losgerannt sind. Mehr nicht.«
    »Wer von denen hat was fallen gelassen?«
    »Der Typ, bei dem ich den Namen nicht richtig mitgekriegt hab. Zeke … oder so.«
    Travis wirkte ungeduldig. Manny vermutete, dass er es leid war, die Geschichte zu erzählen. Tja, Pech für ihn. Er würde sie so lange erzählen, bis sie auch die letzte Kleinigkeit verstanden hatte. Kein Wunder, dass sich die Cops an ihn hielten. Es war die älteste Ausrede der Welt – eine Version der guten alten Masche »Das sind nicht meine Drogen; ich hab sie nur für einen Bekannten verwahrt«.
    »Das ist alles? Du hast diese Geschichte erzählt und sonst nichts?«
    Travis wurde ärgerlich. »Das ist keine Geschichte, das ist die Wahrheit!« Dann blickte er über die Schulter zu dem Wachmann hinüber. »Ich dachte, die würden mich gehen lassen, aber dann haben sie meinen Rucksack aufgemacht und das Buch gefunden.«
    »Was für ein Buch?«
    »Ein Buch über den Islam, das ich für den Kurs in vergleichender Religionswissenschaft lese. Sind die auf mich losgegangen. Woher ich weiß, wie man eine Bombe baut. Ob das die erste war, die ich je gezündet habe. Die haben gar nicht mehr lockergelassen. Und dann haben sie mich über meine Rechte belehrt, wie im Fernsehen. Da ist mir klar geworden, dass ich meine Mom anrufen muss. Die denken, ich war irgend so ein Terrorist, oder?«
    Manny wollte Travis nicht sagen, wie die Zeitungen ihn bezeichneten. Stattdessen konzentrierte sie sich auf etwas, was Travis kurz zuvor gesagt hatte. Das könnte ihre Rettung sein. »Sie sagten, die Polizisten haben Ihren Rucksack durchsucht. Haben Sie das ohne Ihre Erlaubnis getan?«
    »Nee. Die haben gefragt, ob sie dürfen, und ich hab ja gesagt. Ich dachte, die suchen nach Drogen, und ich wusste, dass ich sauber war. An das Buch hab ich gar nicht mehr gedacht.«
    Mist! Bisher hatten die Beamten sich genau an die Vorschriften gehalten. Der Fall sah immer schlimmer aus. Aber für ihren Mandanten rang sie sich ein gezwungenes Lächeln ab. »Okay, Travis. Das wäre erst mal alles. Ich müsste Sie bald hier raushaben.«
    »Erklären Sie denen, dass das alles ein Irrtum ist?«
    »Ich fürchte, ganz so einfach ist das nicht. Aber wir werden versuchen, Sie gegen Kaution auf freien Fuß zu bekommen.« Manny schaute Travis hinterher, als er trübselig zur Tür schlurfte. Er drehte sich noch einmal um und sah sie an; dann war er weg.
    Maureen Heaton saß im Warteraum, den Rücken gegen die Lehne eines erbsengrünen Plastikstuhls gepresst, und spielte mit einem losen Faden an ihrer Leinentasche. Manny versuchte, alle Anzeichen von Besorgnis aus ihrer Miene zu verbannen. »Also, Ma’am, das Wichtigste zuerst. Er war mit ein paar anderen Jugendlichen zusammen, die vielleicht etwas angestellt haben. Aber er sagt, dass er unschuldig ist, und ich glaube ihm. Sorgen wir zunächst mal dafür, dass Travis hier rauskommt. Und dann fangen wir an, eine Strategie für seine Verteidigung zu erarbeiten.«
    Mrs Heaton drehte unablässig ihren matt gewordenen Ehering am Finger, als wollte sie diesen Albtraum wie durch einen Zauber verschwinden lassen. »Verteidigung! Aber er ist unschuldig. Ist doch klar, dass diese anderen Jungs die Bombe gelegt haben.«
    »Ja, aber die Polizei hat die anderen Jungs nicht. Sie hat Travis. Und ein Verdächtiger in Gewahrsam ist besser als vier Verdächtige auf freiem Fuß. Vielleicht müssen wir einen eigenen Ermittler damit beauftragen, sie aufzuspüren.«
    »Ermittler? Ich bin Witwe. Ich hab zwei Jobs. Was meinen Sie, wo soll ich denn so viel Geld hernehmen?« Mrs Heaton kramte in ihrer Tasche nach einem Kleenex, und Manny sah vor ihrem geistigen Auge das Traumbild einer satten Honorarabrechnung verpuffen. Sie tätschelte Mrs Heatons Schulter.
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