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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche
Autoren: Baden & Kenney
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Achseln. »Nein, aber es waren eben Cops, verstehen Sie? Außerdem hatte ich ja nichts gemacht, deshalb hab ich mir gedacht, ich müsste mir keine Sorgen machen.«
    Manny verdrängte den Gedanken daran, wie viele zu Unrecht verurteilte Menschen schon das Gleiche gesagt hatten, ehe sie für viele Jahre ins Gefängnis wanderten. Bevor sie ihre nächste Frage stellen konnte, redete Travis weiter.
    »Als die Cops mit uns weggefahren sind, hab ich gesehen, wie ein Krankenwagen hielt. Ist jemand verletzt worden, als der Briefkasten explodierte? Hinterher haben die Cops uns andauernd nach einem Mann mit Hund gefragt.«
    Manny musterte ihren Mandanten. Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs sah er ihr in die Augen. War er ehrlich? Wusste er wirklich nicht, dass die Explosion fast einen Bundesrichter getötet hätte? Die leisen Hinweise, die man erhielt, wenn man Auge in Auge mit einem Mandanten sprach, waren schwerer wahrzunehmen, wenn eine zerkratzte Plexiglasscheibe die Sicht behinderte und die Stimme durch eine primitive Sprechanlage verzerrt wurde.
    »Der Mann mit dem Hund war Richter Patrick Brueninger. Er wurde durch einen Metallsplitter schwer verletzt.«
    Manny beobachtete, wie Travis diese Neuigkeit aufnahm. Sein Gesicht spiegelte keine der Emotionen wider, die sie erwartet hätte: Schock und Angst, falls er unschuldig war, oder, falls er wirklich beabsichtigt hatte, den Richter zu töten, Enttäuschung, dass es ihm nicht gelungen war, oder Genugtuung über den angerichteten Schaden. Stattdessen wirkte Travis nur leicht besorgt.
    »Was ist mit dem Hund?«, fragte er.
    »Wie?«
    »Der Hund – ist der auch verletzt worden?«
    »Äh, nicht dass ich wüsste.« Manny blickte nach unten und machte sich ein paar Notizen, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Ihr neuer Mandant war anscheinend nicht sonderlich beunruhigt darüber, eines Anschlags bezichtigt zu werden, bei dem ein Richter beinahe das Leben verloren hätte, aber er machte sich Sorgen um den Hund des Opfers. Sie hatte keine Erfahrung mit der Verteidigung von Jugendlichen – würden Geschworene glauben, dass er übergeschnappt war, oder bloß denken, dass er andere Prioritäten hatte?
    Sie konzentrierte sich wieder auf die Befragung. »Wissen Sie, wer Patrick Brueninger ist?«
    Travis zuckte die Achseln. »Nee. Woher auch?«
    Wahrheit oder Lüge? Manny wusste es nicht. Dieses gelangweilte Teenagergebaren war so schwer zu durchschauen. Einem Nachrichtenfreak wie ihr war der Name Brueninger natürlich ein Begriff. Aber Teenager waren bekanntermaßen sehr mit sich selbst beschäftigt, selbst die Schlauköpfe unter ihnen. Vielleicht hatte Travis ja wirklich keine Ahnung, wie wichtig der Mann war, der bei diesem gefährlichen Unsinn verletzt worden war. Sie machte weiter. »Wer war sonst noch bei Ihnen?«
    »Bloß Paco und ich vom Monet. Die anderen vier Typen haben wir im Club Epoch kennengelernt. Die waren ein bisschen älter. Haben uns ein paar Bier spendiert.« Travis’ Stimme wurde leiser, und Manny musste genau hinhören, um ihn zu verstehen. »Als die Musik aus war, sind wir alle zusammen zu einem Lebensmittelladen und haben was zu trinken und zu essen geholt. Dann sind wir an dem Briefkasten vorbeigekommen, und einer von den anderen hat sich gebückt, als hätte er was verloren. Und auf einmal rannten alle los, also sind Paco und ich auch losgerannt. Und dann ist der Briefkasten in die Luft geflogen, die Cops sind gekommen, und jetzt bin ich hier.«
    »Und ihr hattet die anderen Jungs noch nie vorher gesehen, sondern erst in dem Club kennengelernt?«
    Travis nickte.
    »Wie hießen sie?«
    Travis zuckte die Achseln. »Einer hieß Jack, und dann war da einer, den sie Boo nannten. Und Gordie und Zeke oder Deke oder Freak oder so. Es war so laut da drin, ich hab’s nicht richtig verstanden.«
    »Sind die anderen auch mit aufs Revier gekommen?«
    »Paco und ich sind in einen Streifenwagen eingestiegen.« Während Travis sprach, zwirbelte er einen Zipfel seines T-Shirts zusammen. »Die anderen standen noch auf dem Bürgersteig und haben mit den Cops geredet. Wir konnten nicht verstehen, was sie gesagt haben, aber sie haben andauernd den Kopf geschüttelt. Schließlich haben sie alle ihre Papiere gezeigt, die Cops haben sich irgendwas aufgeschrieben und dann haben sie sie gehen lassen.«
    Manny rieb sich die Schläfen. Offensichtlich hatten »Freak« und »Boo« mehr Erfahrung im Umgang mit der Polizei als dieser kleine Naivling. Die älteren Typen hatten sich
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