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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche
Autoren: Baden & Kenney
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Manny verdrehte die Hände. Der Strick war eindeutig lose. So als sollten sie nur so lange gefesselt bleiben, bis die Costellos verschwunden waren und der Käfig aufging. Alles war auf eine möglichst dramatische Wirkung ausgerichtet.
    »Wenn wir die Stricke hier schnell loswerden, könnten wir vielleicht den Käfig damit zubinden, ehe der Zeitschalter das Schloss öffnet.« Manny merkte selbst, dass ihre Stimme dünn und zittrig klang wie vor vielen Jahren bei ihrer ersten Verhandlung. Was würde sie jetzt nicht dafür geben, wenn sie sich vor einem Zweizentnermann in schwarzer Robe fürchten könnte anstatt vor einem vierzig Kilo schweren Hund, dessen Zähne so groß waren, dass sie ihm aus der Schnauze ragten.
    Sie hatte schon größere Exemplare gesehen, aber noch nie aggressivere. Der Hund war schlank und muskulös und lief unentwegt im Kreis. Wahrscheinlich war er schon seit Tagen nicht aus dem Käfig gelassen worden. Mycroft drehte schon bei einer längeren Autofahrt durch. Wie mochte es da erst dieser wesentlich größeren Rasse ergehen, die Bewegung ebenso dringend brauchte wie Nahrung und Wasser? Das Tier wollte raus, und war es erst mal draußen, würde nichts und niemand es daran hindern, seiner angestauten Wut freien Lauf zu lassen.
    Der Ausdruck im Gesicht des Hundes raubte Manny die Fähigkeit, rational zu denken.
    »Meinen Sie, zusammen können wir es mit ihm aufnehmen?«, fragte Travis.
    Manny blickte zu ihm hinüber, und einen schrecklichen, egoistischen Moment lang war sie froh, dass Dr. Costello nicht auf ihre Bitte eingegangen war, Travis freizulassen. Ein panischer, ausgemergelter Teenager konnte keine große Hilfe sein, aber es war dennoch beruhigend, nicht mit dieser Bestie allein zu sein.
    Manny dachte über Travis’ Frage nach. »Wenn einer von uns ihn ablenken kann, schafft es der andere vielleicht, ihn zu überwältigen. Aber egal, was wir tun, wir dürfen auf keinen Fall weglaufen. Das würde nur seinen Jagdinstinkt reizen.«
    »Dann lässt er uns in Ruhe, wenn wir uns nicht bewegen?«
    Travis klang rührend hoffnungsvoll, so wie sie früher, wenn sie ihren Vater angefleht hatte, ihr zu versprechen, dass niemals ein Blitz in ihr Haus einschlagen würde. Sag es einfach, Daddy, und mach, dass es wahr ist.
    Ihr Vater beruhigte sie stets mit einer Lüge. Das brachte Manny nicht fertig. »Versuchen wir, unsere Hände freizubekommen.«
    Sie stellten sich Rücken an Rücken, und Manny versuchte blind, Travis’ Fesseln zu lösen. Sie nutzte die Zeit, um ein paar Dinge abzuklären.
    »Travis, warum hast du die elektronische Fußfessel ausgetrickst? Wo bist du hin?«
    »Ich wollte mich mit Paco treffen. In der Schule durften wir nicht miteinander reden, und telefonieren ging auch nicht, aber ich wusste, dass er Informationen hatte, die wichtig für mich waren. Ich hatte ihm in der Schule einen Zettel zugesteckt, auf dem stand, wo wir uns treffen würden – in einem Waschsalon bei mir um die Ecke. Aber bis dahin bin ich gar nicht gekommen. Elena und Frederic haben mich geschnappt.«
    »Was wollten sie von dir?«
    »Wenn ich das richtig verstanden hab, hatten sie noch Probleme mit der Webcam.« Travis blickte nach oben in das Kameraobjektiv, das jede ihrer Bewegungen aufnahm. »Ich hab nicht begriffen, was sie vorhatten, aber ich hab andauernd das Wort Kamera gehört. Ich glaube, sie hatten Angst, wenn die Polizei und das FBI mich weiter verhören würden, kämen sie zu schnell dahinter, dass der Vampir etwas mit dem Bombenanschlag zu tun hatte. Sie mussten Zeit gewinnen, bis sie mit ihren Vorbereitungen für das da« – er nickte Richtung Käfig – »fertig waren.«
    »Ich wünschte, du wärst Paco gegenüber nicht so loyal gewesen. Ich hätte dir helfen können, wenn du mir die volle Wahrheit gesagt hättest.« Travis schluchzte leise auf, und Manny bedauerte ihre Worte. Das war nicht der passende Zeitpunkt für Vorwürfe. »Wie viele Minuten sind um?«, fragte sie, als sie den nächsten Knoten aufbekam.
    »Etwa fünf, glaube ich.«
    Ihr Gespräch versiegte. Das einzige Geräusch im Raum war das regelmäßige Ticken des Zeitschalters.
    Und das Klicken der scharf gewetzten Hundekrallen, während das Tier im Käfig hin und her lief.

55
    Unterstützt von Polizei und FBI, erfüllte Jake die Forderungen des Vampirs. Das Publikum war auf Empfang. Manny und Travis würden nicht exekutiert werden.
    Vito hatte zudem ein Team von Computerfreaks mobilisiert, das die Übertragung zurückverfolgen und
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