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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche
Autoren: Baden & Kenney
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blickte sie auf und starrte genau in die Kamera, direkt in seine Augen. Ihre Panik war ebenso unmittelbar, als säße sie auf der anderen Seite seines Schreibtischs. Es zerriss ihm das Herz.
    Jake ertrug es nicht, Manny anzusehen, und er ertrug es nicht, wegzuschauen. Aber auf dem Bildschirm war auch Text zu sehen, der in einer Spalte neben dem Videostream durchlief. Er riss seinen Blick von Manny los, um die Worte zu lesen, und als er das tat, stieg ihm bittere Galle in die Kehle. Der Vampir plante, Manny und Travis zu foltern und das live über das Internet zu senden, damit alle Welt es sehen konnte. Und dieses Monster erwartete tatsächlich, dass er sich an dem Spektakel beteiligte, quasi den Kommentator für eine Wahnsinnstat abgab. Von wegen.
    Er würde dafür sorgen, dass die Liveübertragung blockiert wurde, und dem Vampir so die Öffentlichkeit nehmen, die er anstrebte. Er würde diese Webseite schließen lassen, und dann würde er Manny finden. Jake griff nach dem Telefon, doch noch ehe er den Hörer abheben konnte, klingelte es.
    Es war dieselbe Frau. »Hallo, Dr. Rosen. Inzwischen haben Sie hoffentlich verstanden, worum es geht.«
    »Ich verstehe, und ich mache diesen Wahnsinn nicht mit.«
    »Sie sollten keine Entscheidung treffen, ehe Sie nicht alle Auswirkungen kennen, Doktor.«
    Jakes Magen verkrampfte sich vor Angst. »Was soll das heißen?«
    »Sie haben eine Stunde, um alle Opfer des Vampirs zu verständigen. Sagen Sie ihnen, sie sollen diese Seite aufrufen. Wenn sie das getan haben, müssen sie die Schaltfläche ›Contact‹ anklicken, wodurch eine E-Mail versandt wird, die ihre Anwesenheit bestätigt. Dasselbe gilt für die Familie Sandoval. Sobald alle zusehen, fängt die Show an.«
    »Und wenn ich das nicht tue?«
    »Dann werden Ms Manfreda und Travis Heaton vor Ihren Augen mit einem gezielten Kopfschuss hingerichtet. Sobald dieses Gespräch endet, haben Sie noch genau sechzig Minuten Zeit.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen.

54
    Manny sah, dass Travis’ Arme zitterten und er die Augen angstvoll aufgerissen hatte. Er bekam einen weiteren Hustenkrampf. Ihre eigene Kehle fühlte sich wund an, und sie hätte am liebsten losgeheult, aber sie konnte nicht. Sie musste ruhig bleiben, eine Lösung finden. Hysterie würde ihnen beiden nicht helfen.
    Manny schielte zu der Kamera hoch. Jake sah jetzt zu, aber auch Elena. Selbst wenn sie keinen Weg fand, sich aus diesem Schlamassel zu befreien, würde Manny der Frau nicht die Genugtuung geben, ihr einen Nervenzusammenbruch zu liefern.
    Ob Jake erkennen konnte, was in diesem Käfig war? Wusste er, was hier vorging? Oder würde er es erst dann verstehen, wenn der Zeitschalter die Tür entriegelte und der Hund herausgestürzt kam? Sie blickte nach unten auf ihre nackten Arme und Beine. Jetzt verstand sie, warum Elena Costello sie gezwungen hatte, dieses dünne hässliche Kleid anzuziehen. Sie war gänzlich ungeschützt und verwundbar.
    »Was sollen wir denn jetzt machen?«, fragte Travis leise. »Einfach hier rumstehen und abwarten, bis die Tür aufgeht?«
    »Ruhe bewahren. Das ist das Allerwichtigste.« Manny versuchte, Zuversicht in ihre Stimme zu legen, aber innerlich zitterte sie. Von einem Tier angegriffen und bei lebendigem Leibe gefressen zu werden. Es war, als hätte Dr. Costello ihre ärgste Angst erahnt. Hätte er sich nicht irgendwas anderes ausdenken können, um sein Anliegen deutlich zu machen?
    Sie blickte sich im Raum um. Die Tür war mit Sicherheit abgeschlossen, und es gab nur ein einziges, fest vergittertes Fenster. Und absolut nichts, was sich als Waffe verwenden ließe. Außer vielleicht der Käfig selbst. Ob sie den benutzen konnten, um das Tier totzuschlagen, falls es ihnen nicht gelang, es wieder zurückzudrängen? Wäre sie dazu imstande, einen Hund zu töten, selbst einen, der versuchte, sie zu töten? In gewisser Weise war auch der Hund ein Opfer. Nach Auffassung mancher Leute waren Pitbulls nicht von Natur aus bösartig. Aber dieser Hund hier war unverkennbar gezüchtet worden, um zu killen, und er war von klein auf malträtiert und bestraft worden, damit ein besessener Kämpfer aus ihm wurde. Sie empfand Mitleid mit ihm, aber sie konnte den angerichteten Schaden nicht rückgängig machen.
    »Warum haben die unsere Beine losgebunden, aber nicht unsere Hände?«, fragte Travis.
    »Sie wollen, dass wir vor dem Viech da weglaufen können, auch wenn es kein Versteck gibt, keinen Fluchtweg. Das macht das Ganze noch interessanter.«
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