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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen
Autoren: B Apitz
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zurück, ihm drohend:
    »Wenn du ein Wort sagst …«
    Rose} meckerte:
    »Da hast du dir ein nettes Spielzeug angelacht.«
    {Verlegen grinsend zog er sich aus der gefährlichen Zone zurück. –
    »Ausgerechnet der läuft uns in die Quere«, zischte Pippig wütend, nachdem Rose verschwunden war.}
    Vorn an der langen Tafel standen einige von den Zugängen, die irgendwelche Kleinigkeiten abzugeben hatten, einen Ehering etwa oder einen Schlüsselbund.
    Häftlinge vom Kommando verwahrten die Habseligkeiten in Papierbeuteln, und Höfel, als Kapo, überwachte die Vorgänge.
    Neben ihm stand Zweiling und sah zu. Sein ewig halboffener Mund gab dem ausdruckslosen Gesicht eine besondere Leere.
    Der Ramsch interessierte ihn nicht, er verließ die Tafel. Höfels Blick folgte dem SS-Mann, dessen nachlässige Haltung der hageren Figur das Aussehen eines krummen Nagels gab. Zweiling stakte in sein Zimmer zurück.
    Die Zugänge waren bald abgefertigt, und endlich hatte Höfel die Möglichkeit, sich nach dem Kind umzusehen. Rose, der wieder nach vorn gekommen war, hielt ihn zurück.
    »Wenn du Pippig suchst …« Neugierlüstern wies er nach hinten. Höfel entgegnete kurz:
    »Ich weiß Bescheid. Darüber wird nicht gequatscht, verstanden?« Rose tat entrüstet.
    »Bin ich ein Zinker?«
    Beleidigt blickte er Höfel an. Die anderen Häftlinge waren aufmerksam geworden und fragten, doch Rose antwortete nicht. Mit geheimnisvollem Lächeln ging er ins Schreibbüro.
    Das Kind saß aufrecht im Koffer, und Kropinski, der vor ihm kniete, versuchte, es zum Sprechen zu bewegen.
    »Wie du heißen? Du mir sagen. Wo ist Papa? Wo ist Mama? {Jak się nazywasz? Musisz mi to powiedzieą. Gdzie jest twói ojciec? Gdzie jest twoja mama?}«
    Höfel war hinzugetreten. Pippig flüsterte ratlos:
    »Was machen wir nun mit dem Ding? Wenn sie es erwischen, schlagen sie es tot.«
    Höfel kniete sich nieder und sah dem Kind prüfend ins Gesicht.
    »{Nie mówi.} Es nicht sprechen«, erklärte Kropinski verzweifelt.
    Der fremde Mann schien das Kind zu beunruhigen, es zerrte an seiner zerlumpten Jacke, und sein Gesicht blieb seltsam starr, anscheinend wusste es nicht, was Weinen war.
    Höfel hielt das nervöse Händchen fest.
    »Wer bist du denn, du Kleines?«
    Das Kind bewegte die Lippen und schluckte.
    »Hunger hat es«, platzte Pippig erleuchtet heraus. »Ich hole ihm was.«
    Höfel richtete sich auf und atmete tief. Die drei blickten sich ratlos an. Höfel schob sich unruhig die Mütze aus der Stirn.
    »Ja … jaja … natürlich …«
    Pippig fasste es als Bestätigung seiner Absicht auf und wollte forteilen. Aber die sinnlosen Worte waren nur Höfels Versuch gewesen, sich auszudrücken und die irrenden Gedanken zu ordnen. Was sollte aus dem Kind werden? Wohin mit ihm? Vorerst musste es wohl hierbleiben. Höfel hielt Pippig zurück und überlegte.
    »Mache ihm ein Lager zurecht«, wies er Kropinski an.
    »Nimm ein paar von den alten Mänteln, lege sie dort in die Ecke und …« Er stockte. Pippig sah ihn fragend an. In Höfels Gesicht zeichnete sich ein plötzliches Erschrecken ab.
    »Wenn das Kind nun schreit …?«
    Höfel presste die Hand an die Stirn. »Kleine Kinder fürchtensich, und dann schreien sie … Verflucht noch mal …!« Er starrte auf das Kind. Lange. »Vielleicht … vielleicht
kann
es gar nicht schreien …?« Er fasste das Kind an beiden Schultern und rüttelte es zart. »Du darfst nicht schreien, hörst du? Sonst kommt SS.« Plötzlich veränderte sich das Gesicht des Kindes schreckhaft. Der Knabe riss sich los, warf sich in den Koffer zurück und zog sich eng zusammen, das Gesicht in den Händen versteckend.
    »Das weiß Bescheid«, stieß Pippig hervor.
    Um seine Vermutung zu prüfen, klappte er den Deckel herunter. Sie horchten. Im Koffer blieb es still.
    »Na klar«, wiederholte Pippig, »es weiß Bescheid.«
    Er öffnete den Koffer wieder, das Kind hatte sich nicht bewegt. Kropinski hob es hoch, und es hing ihm wie ein zusammengekrümmtes Insekt zwischen den Händen. Fassungslos sahen die drei das sonderbare Wesen an{, und Pippig sagte langsam: »Menschenskind, was mag das kleine Ding schon alles hinter sich haben?«}.
    Höfel nahm Kropinski das Kind ab und wendete es prüfend hin und her. Beine und Kopf eingezogen und die Händchen ans Gesicht gedrückt, erschien das Kind wie eben dem Mutterleib entrissen oder wie ein Käfer, der sich tot stellt. Erschüttert gab Höfel das Wesen an Kropinski zurück, der drückte es an sich und
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