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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen
Autoren: B Apitz
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abmarschieren. Die Lagerschutzler mussten folgen. Sie wagten es nicht, sich anzusehen, denn sie wussten, wozu sie jetzt missbraucht wurden. –]
     
    Jankowski torkelte in die nasse Kälte hinaus.
    Der Koffer war verschwunden!
    Höfel, der auf den Polen gewartet hatte, drückte ihm schnell die Hand auf den Mund und raunte:
    »Schnauze! Es ist alles in Ordnung.«
    Jankowski begriff, dass er sich ruhig zu verhalten habe, er starrte den Deutschen an. Dieser drängte: »Nimm deine Klamotten und hau ab.«
    Höfel warf Jankowski die Sachen über den Arm und schob ihn ungeduldig in die Reihe derer, die nach dem Baden zurBekleidungskammer gehen mussten, um ihre schmutzigen gegen gereinigte Kleidungsstücke einzutauschen.
    Jankowski redete auf den Deutschen ein. Obwohl Höfel den Polen nicht verstand, hörte er die Angst aus dessen Gesprudel, er klopfte ihm beruhigend den Buckel:
    »Jajaja, es ist schon gut. Geh nur, geh.«
    In den Schub hineingedrängt, musste Jankowski mit zur Bekleidungskammer.
    »Nix Böses? Gar nix Böses?«
    Höfel winkte ihn fort.
    »Nix Böses, gar nix Böses …«
     
    [Im Block 61 des Kleinen Lagers, der Seuchenbaracke, lagen Hunderte von Sterbenden. Alles, was im Kleinen Lager von Ruhr, Typhus, Fleckfieber oder von einer anderen Todeskrankheit befallen war, wurde nach der Seuchenbaracke abgesondert. Ein guter, stiller und frommer Mensch, der Pole Joseph Zidkowski, war hier Blockältester. Einige andere polnische Häftlinge versahen die Pflegerdienste. Doch konnten sie nichts weiter tun, als zu warten, bis diese hier starben, um dann die Toten hinter der Baracke abzulegen, die während des Abendappells gewöhnlich von einem Lastauto abgeholt und nach dem Krematorium gebracht wurden.
    Jetzt war noch kein Appell, doch der LKW stand schon hinter der Seuchenbaracke mit heruntergeklappten Seitenwänden, und ein Dutzend nackter Leichen lagen bereits auf ihm.
    Papa Berthold war bei der Arbeit. –
    Von den 32 Ausgesonderten warteten keine 20 mehr vor der verschlossenen Tür. Nackend und zitternd, in sich verkrümmt und ängstlich.
    Berthold befand sich in einem separaten, kleinen Raum. Ein kleiner Tisch mit einer großen, braunen Medizinflasche darauf und ein Hocker waren die Einrichtung. Berthold, im weißenArztkittel, stand vor dem Hocker mit einer Injektionsspritze in der Hand, und vor ihm lag eine nackte Leiche. –
    Berthold ging zur Tür der Hinterwand und klopfte mit der Stiefelspitze dagegen. Zwei polnische Pfleger kamen herein, hoben still den Toten auf und trugen ihn hinaus. Berthold schloss hinter ihnen die Tür, ging zum vorderen Eingang, klopfte ebenfalls mit der Stiefelspitze dagegen und setzte sich wartend auf den Hocker. Draußen gaben die Lagerschutzler dem nächsten der Nackten ein stummes Zeichen, hineinzugehen. Der Neuling blickte sie fragend an, und sie nickten ihm zu mit einem verkrampften Lächeln. –
    Auch Papa Berthold lächelte, als der Ahnungslose den Raum betrat. Er bedeutete ihm, seine Sachen auf den Kleiderhaufen zu werfen, der in der Ecke lag, und winkte pfeifenuckelnd und mit freundlichem Kopfnicken den Nackten zu sich heran. –
    Wie waren doch die Arme so dünn und die Beine … seufzend wiegte Papa Berthold mit dem Kopf, tätschelte tröstend die Hand des Nackten, die er ergriffen hatte. Dann wies er schnalzend auf die braune Flasche und sah den Nackten mit verschmitztem Skatspielergesicht an.
    »Dobsche«, sagte er und klopfte sich auf die Oberarmmuskeln, nickte dem Nackten verheißend zu und griff zur Spritze. Er stach schnell und geübt in die Schlagader der Ellenbeuge, füllte die Spritze sofort wieder und legte sie auf den Tisch.
    Der Gestochene stand vor ihm, und Papa Berthold blaffte dünne Rauchfetzen aus der Stummelpfeife.
    Plötzlich veränderte sich das Gesicht des Gestochenen. Sein Mund öffnete sich staunend und wurde zu einem schwarzen Loch, die Augen wurden angstvoll groß, und der Brustkorb krampfte sich hoch, als wollte der Gestochene tief Luft holen. Aber schon sackte er, die Arme hochwerfend, in die Knie, fielum wie ein Kegel, und einer der schlenkernden Arme schlug Papa Berthold die Pfeife aus dem Mund. –
    Sie war zum Glück nicht zerbrochen. –]
     
    Wie ein glücklich beschenkter Junge war Pippig mit dem Koffer {die Treppen} zur Effektenkammer hinaufgeeilt.
    Um die späte Nachmittagsstunde hielt sich kein Häftling des Kommandos mehr in dem langgestreckten Kleiderraum auf, in dem Tausende von Säcken mit den Zivilsachen hingen. Nur der ältere
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