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Nachtzug ins Glueck

Nachtzug ins Glueck

Titel: Nachtzug ins Glueck
Autoren: Samantha Hunter
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ich habe gelernt, dass das Leben zu kurz ist. Und es war hart, glauben Sie mir!«
    »Was meinen Sie mit
hart

    Sie hatte eigentlich mehr Einzelheiten aus ihm herauskitzeln wollen, aber die Doppeldeutigkeit landete zwischen ihnen und ließ ihre Wangen wieder rot erglühen.
    »Ich meine, was ist passiert?« Sie tat, als bemerkte sie das Aufblitzen seiner Augen nicht.
    »Ich wurde angeschossen, nachts auf der Straße. Bin fast krepiert, und es hat verdammt lange gedauert, bis ich wieder auf dem Damm war. Und dann habe ich beschlossen, auszusteigen, was anderes zu machen. Es war wohl so was wie ein Weckruf«, sagte er so beiläufig, als hätte er ihr die Wetteraussichten mitgeteilt.
    »Sie wurden angeschossen? Und fast getötet? Jemand hat auf sie
geschossen
? Mit einer Pistole?«
    Er grinste. »Ja, mit einer Pistole. Das ist so Usus. Ich hatte Glück. Zwei Kugeln haben die Weste getroffen, die letzte nicht. Vielen passiert das mehr als ein Mal. Ich habe beschlossen, dass ich keine Wiederholung riskieren will, sehr zum Ärger meines alten Herrn.«
    »Ihre Familie ist nicht einverstanden?«
    »Lange New-York-Police-Department-Tradition. Sie wären bei der Stange geblieben.« Zum ersten Mal im Verlauf des Gesprächs unterbrach er den Augenkontakt, obwohl sein Tonfall gleichgültig blieb.
    »Und was machen Sie jetzt?«
    »Zug fahren«, antwortete er im Plauderton.
    »Im Ernst.«
    »Ich bin ernst.« Sein Blick begegnete wieder ihrem. »Im Moment genieße ich einfach ein bisschen meine freie Zeit und lote die Möglichkeiten aus.«
    »Mit anderen Worten, Sie haben keinen Plan.«
    »Brauche ich einen?« Er wirkte so zutiefst amüsiert, dass sie unwillkürlich das Blatt, auf das sie den Zeitplan geschrieben hatte, in der Hand zerknitterte.
    »Was haben Sie denn da?«
    Sie atmete schwer aus. »Ich habe einen Zeitplan für das Abteil erstellt. Wann jeder von uns dort seine … ähm … Privatsphäre hat.«
    »Sie haben es genau aufgeschrieben?«
    Sie nickte.
    »Lassen Sie mich mal sehen!«
    Sie öffnete ihre Faust, entfaltete das Blatt Papier, strich es glatt, so gut es ging, und reichte es ihm. »Wir können natürlich noch was ändern, wenn Sie wollen.«
    Er nickte, knüllte das Blatt zusammen und warf es auf den Tisch.
    »Warum haben Sie das gemacht?«, fragte sie. »Ich habe den ganzen Nachmittag dafür gebraucht.«
    »In der Zeit hätten Sie hier draußen den Beginn der Reise genießen können, Brenna. Denken Sie mal nach! Wir können doch einfach miteinander reden. Wenn Sie Zeit für sich brauchen, sagen Sie mir Bescheid und umgekehrt. So einfach ist das. Wir brauchen kein Gesetzbuch.«
    Sie legte die Stirn in Falten und kam sich ziemlich blöd vor. »Aus Ihrem Mund hört sich das so einfach an.«
    »Weil es einfach ist. Sagen Sie mir einfach, was sie wollen, okay? Und ich mache das auch. Ehrlich, ich habe nicht vor, viel Zeit im Zimmer zu verbringen, außer zum Schlafen, also wird es keine Probleme geben, versprochen.«
    Sie biss sich auf die Lippe und fühlte sich wie eine Idiotin. »Ich habe auch Zettel geschrieben«, sagte sie und bereute schon, es laut gesagt zu haben.
    »Zettel?«
    »Ja solche Post-its, die man an die Tür kleben kann. So was wie
Nicht eintreten, bis Zettel entfernt wurde
, damit es erst gar nicht zu Peinlichkeiten kommt. Zum Beispiel, dass einer reinkommt, wenn der andere sich gerade umzieht.«
    Er spitzte die Lippen. »Verstehe. Wäre das denn so schlimm?«, fragte er, und der Flegel in ihm kam zum Vorschein. »Ich finde, dieses Risiko könnten wir ruhig eingehen.«
    Sie kämpfte gegen ein Lächeln an. Er beugte sich über den Tisch und streckte die Hand aus.
    »Geben Sie mir die Zettel, Brenna!«
    Sie sträubte sich, doch dann holte sie sie aus ihrer Tasche und drückte sie ihm in die Hand. Sie sah zu, wie er sie ebenfalls zusammenknüllte und neben den Zeitplan warf.
    »Haben Sie Lust auf ein eigenes Abenteuer, Brenna?« Er nahm das Buch und betrachtete es. »Denn das haben wir doch hier, oder? Die Chance, selbst ein Abenteuer zu erleben.«
    »Ich … ich weiß nicht.«
    Eigentlich wusste sie es. Sie wollte dieses Abenteuer sehr wohl, sie war sich nur nicht sicher, ob es ihr gestattet war.
    »Was hält Sie davon ab?«
    »Ich habe Klaustrophobie.«
    »Die haben die meisten, zumindest ein bisschen.«
    »Kam Ihnen das, was vorhin im Abteil passiert ist, wie ›ein bisschen‹ vor?«, gab sie schnippisch zurück.
    »Nein. Aber das ist erst recht ein Grund, die Angst an den Eiern zu packen und
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