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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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und spähte vorsichtig um die Ecke. Niobes helles Lachen drang zu ihr hinüber und sie wurde Zeuge, wie jene den Burschen gegen die Hauswand drängte, um sich sogleich seiner fordernden Umarmung zu überlassen.
    Ohne sich zu rühren, stand Kyrana an Ort und Stelle, sah dem stürmischen Treiben eine scheinbar endlose Zeit lang zu, bis schmatzende Geräusche sie begreifen ließen, was wirklich vor sich ging. Kelmars Gemahlin stillte ihren Durst... Nur wenig später kündete ein leises Knacken davon, dass des Bursche Genick gebrochen war – und er sackte an der Wand entlang leblos zu Boden. Niobe entnahm ihrem Umhang ein weißes Tuch und tupfte sich seelenruhig die Lippen ab.
    Dann wandte sie sich herum und ihre klaren Augen blickten eisig zu Kyrana hinüber. „Euer Duft eilt Euch voraus..., sprach sie mit leiser, kühler Stimme. „Weshalb verfolgt Ihr mein Tun?“ Ein kaltes, knappes Lachen folgte, während sie näher heran trat. „Dachtet Ihr, Ihr könntet meinem Gemahl Kunde bringen, ich vergnüge mich in fremden Betten?“. Sie zuckte die Schultern, während sie an Kyrana vorbei schritt und den Weg gen Wald einschlug. „Und wenn schon...“
    Verblüfft nahm Kyrana die Verfolgung au f, denn schließlich hatten sie denselben Heimweg. Dabei warf sie dem toten Mann noch einen Blick zu. „Solltet Ihr ihn nicht verscharren oder verstecken? Es wäre unklug, ihn einfach dort liegenzulassen.“
    Doch Niobe schien das anders zu sehen; sie winkte ab. „Mag sich um ihn kümmern wer will...“ Ohne sich noch einmal umzusehen, ging sie voran, mit wiegenden Hüften, anmutig wie eine Katze. Schweigend folgte Kyrana ihr. Sie fragte sich, was die Obersten wohl von solch unvorsichtigem Tun halten würden. Schließlich war es eines der höchsten Gesetze, die Geheimnisse der Nachtwesen zu bewahren – was auch ihre ganz eigene Art der Nahrungsaufnahme mit einschloss. Kein Opfer wurde am Leben gelassen und sorgfältigst beiseite geschafft. Keine Zeugen und keine Leichen, welche etwas verraten könnten.
    Mit ihren Gedanken beschäftigt, folgte sie Niobe Schritt um Schritt, tiefer in die Wälder hinein und den Weg hinauf, der zu den Anwesen führte. Längst hatte das Schweigen zwischen ihnen den ersten Moment der Peinlichkeit hinter sich gelassen und dauerte wie selbstverständlich fort. Kyrana fragte sich, weshalb Niobes Verhalten so seltsam erschien. Einerseits war es ihr immer so vorgekommen, als sei jene still und traurig, ganz so wie am ersten Abend, als sie sie sah – damals in Kelmars Kaminzimmer. Andererseits hatte sie heute eine gänzlich andere Frau erlebt. Zuerst fast fröhlich und sorglos, dann kalt wie sprödes Eis.
    Im Schein des Mondes ließ sie den Blick über Niobes Rückansicht wandern. Kein Zweifel, jene war eine Außenseiterin in den Reihen der Nachtwesen. Und wer wusste besser, was es heißt, ein Außenseiter zu sein, als sie selbst? Plötzliches Mitleid mit der Anderen ließ Kyrana ihre Schritte beschleunigen und zu jener aufschließen. „Ihr seid nicht glücklich oder?“, durchbrach sie leise die Stille und musterte fragend Niobes Profil. „Weshalb nicht? Kelmar ist doch ein so wundervoller Mann. Und Euch wurde die Ehre ewigen Lebens zuteil. Wie könnt Ihr da unglücklich sein?“
    Die Antwort war Schweigen. Ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, verfolgte Niobe weiter ihren Weg und verhielt erst vor der Pforte von Merians Anwesen ihre Schritte. Sehr langsam wandte sie sich Kyrana zu und musterte sie kühl. „Langweilt mich nicht mit Gesprächen über Angelegenheiten, welche Euch nichts angehen, Werteste“ sprach sie knapp.
    Dann legte sie die Kapuze ihres Umhanges über ihr blondes Lockenmeer, wandte sich abrupt ab und schritt davon, ohne sich noch einmal umzublicken. Kyrana sah ihr nach und fragte sich zum wiederholten Male, was Kelmar wohl an Niobe faszinierte. Er war so charmant, warmherzig und freundlich – das genaue Gegenteil dieser kalten Person. Eines Tages würde sie ihn danach fragen, um vielleicht zu begreifen...

Kapitel 11
    Die Gelegenheit dazu ergab sich schon in der darauffolgenden Nacht. Ein Wandlungsritual stand bevor, zu dessen Festlichkeit Kyrana in Lynns Haus geladen war. Diesmal würde sie als Gast dabei sein, um das zukünftige Nachtwesen in seinem neuen Dasein zu begrüßen. Kaum dass die Sonne am Horizont versunken war, machte sie sich in Begleitung Merians auf den Weg. Es war nicht weit bis zu Lynns Anwesen, doch sie ließen sich Zeit.
    Nebeneinander schlenderten sie den
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