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Nachtwelt

Nachtwelt

Titel: Nachtwelt
Autoren: Theres Buechner
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ist, zu sehen, wer diese Musik spielt. Dann sieht sie sie. Die
Singenden Bäume. An den Ästen, dort, wo anderen Bäumen Blätter wachsen, haben
die Singenden Bäume kleine, eisblaue Blüten. Es müssen Millionen sein.
     
    Als Mimi eine von ihnen berührt ist diese hart und
kalt. Der Wind, der durch die Baumkronen streicht, lässt die Blüten leicht
aneinander schlagen und erzeugt den Grundton der wunderbaren Musik. Tausende
von Vögeln, nicht größer als Mimis Daumen, fliegen durch die Kronen der
Singenden Bäume. Ihr Flügelschlag lässt die Blüten unregelmäßiger zusammen
schlagen, so dass die Melodie aus dem windspielartigen Grundton erzeugt wird.
    Obwohl hier mehr als fünfzig dieser Bäume stehen ist
es nicht laut. Die Musik scheint von immer gleicher Stärke, ist angenehm und
unaufdringlich.
     
    Zu der außergewöhnlichen Musik kommt ein Duft, dem
Mimi nichts zuordnen kann was ihr bekannt ist. Vielleicht duftet es ein wenig
nach Kardamom und Honig. Vielleicht auch ein bisschen nach Moschus. Nach diesem
Duft könnte sie süchtig werden.
    Dieser Traum ist der allerbeste, den sie jemals
geträumt hat. Noch nie hat sie in einem Traum Düfte, beziehungsweise Gerüche
wahrgenommen. Sie wünschte sie könnte ewig schlafen und träumen.
    Allerdings findet sie es komisch, dass sie in einem
Traum darüber nachdenkt, dass sie träumt. Sie hat das Gefühl als würden zwei
Welten existieren. Die eine Wirkliche, in der Angorasocken neben ihrem Bett
liegen und diese, in der sie singenden Bäumen lauscht.
     
    Als sie zwischen den Bäumen einen Lichtschein
wahrnimmt, fängt ihr Herz ganz doll an zu schlagen. Jeder der einmal verliebt
war kennt dieses Herzklopfen. Es ist unverkennbar. Es ist immer mit einem
Kitzeln im Bauch und sich überschlagenden Gedanken verbunden.
    Bei Mimi kommen eine unnatürliche Hitze und ein blöder
Gesichtsausdruck hinzu. Letzteres ist bei Verabredungen ein wenig lästig.
     
    Sie geht dem Licht entgegen. Am Rande des Waldes liegt
eine große Lichtung, auf der mehrere Feuer brennen. Auch diese Lichtung ist,
wie die Ebene vor dem Wald, mit tannengrünen Moos überwachsen. Fünf Feuer, um
die jeweils eine Gruppe von Leuten sitzt, brennen in der Nacht.
     
    Begleitet von der Musik und dem wundervollen Duft
tritt Mimi aus dem Schatten der Singenden Bäume und geht auf die Feuer zu.
Niemand reagiert auf sie. Keiner schaut sie an, niemand sagt etwas. Obwohl die
Situation befremdlich ist, hat sie keine Angst oder fühlt sich von diesen
Menschen bedroht. Vielmehr hat sie das Gefühl angekommen zu sein, wo sie schon
lange erwartet wird. Ein paar Meter entfernt bleibt sie stehen. Mimi sieht Petra,
ihre beste Freundin. Sie sitzt an einem der Feuer. Petra lächelt sie an und
hebt die Hand. Mimi weiß nicht, ob Petra ihr zuwinkt oder ihr mit dieser Geste
bekunden will, dass sie stehen bleiben soll. Gerade als sie auf ihre Freundin
zugehen, will senkt diese ihren Blick und Mimi hört wie jemand sie anspricht: „Mimi,
setz dich zu uns. Dein Platz ist an diesem Feuer.“
     
    Es klingt nicht unfreundlich, aber auch nicht wie eine
Bitte. Sie kennt die Stimme und als sie sich in die Richtung dreht, aus der die
Aufforderung gekommen ist, sieht sie Andy, ihren Nachbarn. Mimi geht hinüber
zum Feuer und schweigend bedeutet Andy ihr Platz zu nehmen. Noch immer spricht
niemand. Alle starren in die Flammen der Feuer. Die Gruppe ist hochkonzentriert
auf etwas, dass ihr verborgen bleibt. Da niemand redet, unterbricht auch sie
die Stille nicht durch irgendwelche Fragen, sondern sitzt nur ruhig da und
schaut sich um.
     
    Um die fünf Feuer sitzen jeweils sechs Leute. Es sind
gemischte Gruppen, wobei es nicht immer ein Gleichgewicht zwischen Männern und
Frauen gibt. Petra, die Mimi nicht mehr beachtet, sitzt als einzige Frau mit
fünf Männern an ihrem Feuer.
     
    Wie Mimi selbst, sind hier alle mit einem Schwert
bewaffnet. Drei Männer tragen zusätzlich eine Streitaxt, mit langen Holzstilen.
Petra und acht weitere Leute, haben einen Bogen und Pfeile neben sich liegen.
Petras Köcher, in dem die Pfeile stecken, ist aus dunkel gebeiztem Holz. Ein
Spruchband aus Perlmut ist in das Holz eingelegt. Es sind dieselben
Schriftzeichen, die auch auf Mimis Schwertklinge zu sehen sind. Sie kneift die
Augen zusammen und ist bemüht zu erkennen, was dort steht. Als die Flammen höher
schlagen, kann sie es lesen:
     
    Kämpfe und Sterbe für die Liebe.
     
    Mimi zieht die Augenbrauen hoch und denkt: Dann
lieber aus Überzeugung
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