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Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm
Autoren: David Sedaris
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Schwestern und ich um die Theke und taten so, als w ären wir betrunken, aber dann war der Reiz des Neuen verflogen, und wir verloren das Interesse.
    In nachfolgenden Ferien, mit oder ohne unsere Eltern, kamen wir immer an dem Haus vorbei, das wir einmal als unseres betrachtet hatten. Jeder hatte daf ür einen anderen Namen, und mit der Zeit mussten erklärende Ergän zungen hinzugefügt werden. (»Du weißt schon, unser Haus.«) In dem Sommer nach dem verpatzten Hauskauf strichen die neuen Eigentümer – oder »diese Leute«, wie wir sie nannten – das »Klar Schiff« gelb an. Ende der siebziger Jahre bemerkte Amy, dass die »Klapsmühle« einen Carport hinzubekommen hatte und die Auffahrt gepflastert worden war. Lisa war erleichtert, als das »Haus Immer Meer« zu seiner ursprünglichen Farbe zurückkehrte, und Tiffany war entsetzt, als »Der zahnlose Schwarze, der aus seinem Kleinlaster heraus Shrimps verkauft« bei den Senatswahlen von 1984 ein Wahlplakat für Jesse Helms im Garten stehen hatte. Fünf Jahre später berichtete meine Mutter, der »Strandläufer« sei durch Hurrikan Hugo böse beschädigt worden. »Es steht noch«, sagte sie. »Aber nicht mehr viel.« Kurz darauf wurde nach Auskunft von Gretchen »Die Goldene Muschel« abgerissen und das Grundstück zum Verkauf angeboten.
    Ich weiß, dass eine solche Geschichte wenig Mitgefühl weckt. (»Aus meinem Heim – ich meine, aus einem meiner Heime ist nichts geworden.«) Wir hatten keinen berechtigten Anspruch auf Selbstmitleid, durften uns nicht einmal betrogen fühlen, doch hielt uns das nicht ab zu klagen.
    In den kommenden Jahren versprach unser Vater uns immer wieder Din ge, die er nicht halten konnte, und mit der Zeit begannen wir ihn als einen Schauspieler zu sehen, der sich um die Rolle des großzügigen Millionärs bewarb. Er bekam sie zwar nie, aber er fand Gefallen an seinem Text. »Was haltet ihr von einem neuen Wagen?«, fragte er. »Wer hätte Lust zu einer Kreuzfahrt in der Ägäis?« Er erwartete von uns, dass wir den Part der begeisterten Familie übernahmen, aber die Lust dazu war uns vergangen Wie durch eine unsichtbare Strömung trieb meine Mutter immer weiter fort, zuerst in ein Einzelbett und dann ans Ende des Flurs in ein Zimmer, in dem Bilder vom Meer hingen und Körbe voller von der Sonne gebleichter Sanddollars standen. Ein Haus am Meer wäre hübsch gewesen, aber wir hatten bereits ein eigenes Heim. Ein Heim mit einer Bar. Übrigens, selbst wenn etwas daraus geworden wäre, hätte sich niemand für uns gefreut. Wir gehören nicht zu der Sorte von Leuten.

Full House
    Meine Eltern geh örten nicht zu den Leuten, die zu festen Zeiten ins Bett gehen. Der Schlaf überkam sie, aber weder die Zeit noch der Gedanke an eine Matratze schienen dabei von großer Bedeutung. Mein Vater bevorzugte einen Stuhl im Keller, doch unsere Mutter schlief überall ein und wachte auf mit roten Striemen im Gesicht vom Teppich oder dem Abdruck des Sofapolsters auf der weichen Haut ihrer Unterarme. Es war in gewisser Weise peinlich. Sie kam auf ihre acht Stunden Schlaf am Tag, aber niemals am Stück, und auch ohne die Kleidung zu wechseln. Zu Weihnachten schenkten wir ihr Nachthemden, in der Hoffnung, sie würde den Hinweis verste hen. »Die sind zum Schlafen da«, sagten wir, und sie sah uns nur ungläubig an, als sei der Moment des Schlafs wie der des eigenen Todes zu unvorhersehbar, um sich ernsthaft darauf vorzubereiten.
    Der Vorteil, gewissermaßen von zwei Hauskatzen großgezogen zu wer den, war der, dass man nie zu bestimmten Zeiten ins Bett musste. An einem normalen Wochentag um zwei Uhr nachts sagte meine Mutter nicht, »jetzt aber ins Bett«, sondern eher, »bist du nicht langsam müde?«. Es war kein Befehl, sondern eine aufrichtige Frage, und die Antwort bewirkte kaum mehr als ein Achselzucken. »Wie du meinst«, sagte sie und schenkte sich ihre vermutlich dreißigste oder zweiundvierzigste Tasse Kaffee ein. »Ich bin auch nicht müde. Weiß auch nicht, warum.«
    In unserer Familie ging niemals das Licht aus, und unser Fernseher war so heiß, dass wir einen Küchenhandschuh brauchten, um den Sender zu wechseln. Jeder Abend war wie eine Pyjamaparty bei Freunden, als wir in das Alter für solche Feten kamen, daher zeigten meine Schwestern und ich wenig Interesse.
    »Aber wir können aufbleiben, solange wir wollen«, sagten die Kinder, die uns einladen wollten.
    »Und...?«
    Die erste Pyjamaparty, zu der ich eingeladen wurde, war bei meinem
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