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Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm
Autoren: David Sedaris
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Urlaub zu genie ßen. Er hockte entspannt mit einem Gin Tonic in der Hand auf der Sonnen terrasse, umgeben von seiner toastbraunen Frau und seinen Kindern, und gab zu, dass dies tatsächlich nicht schlecht war. »Ich habe mir gedacht, zur Hölle mit diesen gemieteten Ferienhäusern«, sagte er. »Warum machen wir nicht Nägel mit Köpfen und kaufen selbst eins?«
    Er redete in dem Ton, in dem er uns sonst zum Eis einlud. »Wer hat Lust auf was Süßes?«, fragte er, und wir alle zwängten uns in den Wagen und sahen zu, wie er am Eispavillon vorbei zum nächsten Lebensmittelmarkt fuhr und dort einen großen Klotz Milcheis von eitrig gelber Farbe kaufte, der kurz vor dem Verfallsdatum stand und heruntergesetzt war. Die Erfahrung hatte uns gelehrt, misstrauisch zu sein, doch war der Gedanke an ein eigenes Haus am Strand so verlockend, dass es unmöglich war, sich nicht davon anstecken zu lassen. Sogar unsere Mutter fiel darauf herein.
    »Ist das dein Ernst?«, fragte sie.
    »Klar doch«, sagte er.
    Am n ächsten Tag vereinbarten sie einen Termin mit einem Immobilien makler in Morehead City. »Wir fühlen nur mal vor«, sagte meine Mutter.
    »Es ist ein klärendes Gespräch, mehr nicht.« Wir wollten alle dabei sein, aber sie nahmen nur Paul mit, der erst zwei war und nicht mit uns allein ge lassen werden konnte. Das klärende Gespräch endete mit einem halben Dutzend Besichtigungen, und als sie zurückkamen, war das Gesicht meiner Mutter so teilnahmslos, als sei es gelähmt. »War schön«, sagte sie. »Der Immobilienmakler war sehr nett.« Wir hatten den Eindruck, als stünde sie unter Eid, etwas für sich zu behalten, und als bereite ihr die Anstrengung körperlichen Schmerz.
    »Ist schon gut«, sagte mein Vater. »Du kannst es ihnen sagen.«
    »Nun, wir haben da dieses eine Haus gesehen«, erklärte sie. »Also, man muss sich deshalb nicht gleich überschlagen, aber...«
    »Aber es ist perfekt«, sagte mein Vater. »Ein Prachtstück, genau wie eu re Mutter.« Er trat von hinten auf sie zu und zwickte sie in den Po. Sie lach te und schlug mit dem Handtuch nach ihm, und wir wurden Zeuge dessen, was wir später als die verjüngende Kraft von Immobilien kennen lernten. Es ist der Weg, den Paare mit Geld gehen, wenn ihr Sexualleben brach liegt und sie zu anständig für eine Affäre sind. Ein Zweitwagen mag ein Paar für ein oder zwei Wochen zusammenbringen, aber ein zweites Heim kann einer Ehe bis zu neun Monaten nach Vertragsabschluss frischen Wind geben.
    »Ach, Lou«, sagte meine Mutter, »was mache ich nur mit dir?«
    »Was du willst, Baby«, sagte er, »was du willst.«
    Es klang seltsam, wenn Leute zweimal den gleichen Satz sagten, aber f ür ein Haus am Strand waren wir bereit, darüber hinwegzusehen. Abends war meine Mutter zu aufgeregt zum Kochen, und wir gingen in den Sanitary Fish Market in Morehead City essen. Nachdem alle am Tisch saßen, erwar tete ich, mein Vater würde von mangelnder Isolierung oder durchgerosteten Rohren anfangen, der dunklen Kehrseite des Eigenheimbesitzes, doch er redete nur von den Vorzügen. »Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir dort Thanksgiving feiern. Oder sogar Weihnachten. Ein paar Lichter, etwas Weihnachtsschmuck in die Fenster, was meint ihr?«
    Als eine Kellnerin am Tisch vorbeilief, bestellte ich, ohne Bitte zu sagen, noch eine Cola. Sie ging sie holen, und ich lehnte mich breit in meinem Stuhl zurück, berauscht von der Macht eines zweiten Heims. Wenn die Schule wieder anfing, würden meine Klassenkameraden mich umschwärmen in der Hoffnung, für ein Wochenende in unser Haus eingeladen zu werden, und ich würde mir einen Spaß daraus machen, sie gegeneinander auszuspielen. So verhielten sich Leute, die aus den falschen Gründen gemocht wurden, und ich würde sehr gut darin werden.
    »Was meinst du, David?«, fragte mein Vater. Ich hatte zwar die Frage nicht mitbekommen, erwiderte aber, es höre sich ganz gut an. »Gefällt mir«, sagte ich. »Gefällt mir.«
    Am folgenden Nachmittag fuhren meine Eltern mit uns zu dem Haus. »Also, nicht dass ihr jetzt weiß Gott was erwartet«, sagte meine Mutter, aber dazu war es schon zu spät. Die Fahrt von einem Ende der Insel zum anderen dauerte etwa fünfzehn Minuten, und unterwegs schlugen wir Namen für das Haus vor, das in Gedanken bereits uns gehörte Ich hatte mir schon alles genau überlegt, wartete aber einige Minuten, bis ich mit meinem Vor schlag herausrückte.
    »Alles bereit?«, fragte ich. »Unser Schild ist ein aus
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