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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger
Autoren: Ilse Maria Dries
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der fröhlichen Runde und bewunderten die neuen Frisuren ihrer Freundinnen. Manuela war eine üppige Blondine und die Besitzerin der Konditorei im Ort. Sie war eine sehr erfolgreiche,
    durchsetzungsgewohnte Geschäftsfrau, worauf sie auch regelmäßig hinwies. Anneliese Schüpferling war eine ebenso tüchtige Hausfrau und freute sich immer besonders auf den unterhaltsamen Montagabend.
    Mathilde klatschte energisch in die Hände: „Wir fangen jetzt an, Mädels, macht sorgfältig eure Dehnübungen, dann trainieren wir mit den Medizinbällen.“
    Die sechs Damen, alle mit schicken Sportanzügen und dazu passenden Stirnbändern bekleidet, kamen der Aufforderung mehr oder weniger motiviert nach. Je früher sie anfingen, desto schneller konnten sie sich um den Sportlerinnenstammtisch versammeln.
    „Nicht schummeln, Mutter Teresa, sauber dehnen“, rief Mathilde munter. Die angesprochene Anneliese Schüpferling runzelte peinlich berührt die Stirn. Diesen Spitznamen, hinter dem sich eine unrühmliche Geschichte verbarg, verabscheute sie von ganzem Herzen.
    Seit ihrem Engagement im Umweltbereich wurde sie im Dorf „Mutter Teresa von den Kröten“ genannt. Sie hoffte, dass das ganze Desaster bald in Vergessenheit geraten würde.
    Dieses Jahr um Ostern herum war Anneliese Schüpferling völlig unzufrieden mit ihrem Hausfrauendasein gewesen. In einer Frauenzeitschrift hatte sie einen Psychotest gemacht, und bei der Auswertung fiel sie in die Kategorie derjenigen Frauen, deren Work-Life-Balance nicht ausgeglichen war. Andere hatten einen Beruf, eine Aufgabe, wichtige Dinge zu erledigen. Sie hatte nur ihren Haushalt und zwei Putzstellen und empfand tiefste Frustration.
    Hinter dem breiten Rücken ihres Gatten Konrad begann sie, Erkundigungen einzuziehen, welche beruflichen Wege ihr offenstanden und für welche neuen Herausforderungen sie sich begeistern und engagieren könnte. Nach intensiven Überlegungen, unterstützt von den Damen der Gymnastikgruppe, kamen zwei faszinierende Tätigkeitsbereiche in die nähere Auswahl: Wechseljahresberaterin oder Feng-Shui-Gestalterin. Anneliese Schüpferling musste nun nur noch ihren Mann Konrad in ihre Pläne einweihen und dafür gewinnen. Das war keine leichte Aufgabe.
    Eines Abends kochte sie seine Lieblingsspeise, Tafelspitz mit scharfer Krensauce und Salzkartoffeln, schenkte ihm ein kühles Bier ein, nahm sich ein Herz und berichtete aufgeregt von ihren beruflichen Ambitionen.
    Die Reaktion ihres Göttergatten war komplett vernichtend. Er beschimpfte seine Frau als zentrifugische Spinatwachtel und stürmte brodelnd vor Zorn aus dem Haus Richtung Goldener Hirsch.
    Doch so leicht gab Anneliese nicht auf. Sie würde schon noch eine wichtige, interessante Aufgabe finden. Eines Morgens, als sie bei einer Tasse Milchkaffee das örtliche Gemeindeblatt studierte, stach ihr eine fettgedruckte Annonce ins Auge. Sie befand sich direkt neben dem Tageshoroskop, das Anneliese eindringlich empfahl, sich vor Männern mit schwierigen Mutterbeziehungen zu hüten.
    Die engagierte Umweltschutzgruppe von Langensendelbach suchte wackere Mitstreiter zu Rettung der Kröten. Die jährliche Krötenwanderung hatte begonnen und die Gruppe benötigte dringend Verstärkung, um die bedrohten Geschöpfe früh morgens in tierfreundlichen Eimern über die stark befahrene Straße zwischen Langensendelbach und Bräuningshof zu transportieren. Voraussetzungen für diese ehrenamtliche Tätigkeit waren umweltschutzpolitisches Engagement, körperliche Fitness und die Bereitschaft, sehr früh aufzustehen.
    Begeistert vereinbarte Anneliese Schüpferling auf der Stelle einen Vorstellungstermin und bekam einige Tage später eine Zusage. Ihr Gatte Konrad, der die Aktivitäten zur Rettung der Kröten als Folkloreveranstaltung bezeichnete, stimmte zu, um endlich Ruhe zu haben. Als Nächstes würde sie noch die vom Aussterben bedrohte Schnirkelschnecke retten wollen, verflixt noch mal. Hauptsache, seine Frau würde rechtzeitig wieder zu Hause sein, um ihm sein Frühstück zuzubereiten.
    Die folgenden Tage stand Anneliese morgens um vier Uhr auf und machte sich auf den Weg, um bei Wind und Wetter Widerstand leistende Kröten über die Straße zu schleppen. Ein ökologisch engagierter Mitstreiter, mit dem sie zum Dienst eingeteilt war, beeindruckte sie ganz besonders. Es waren weniger seine faszinierenden Berichte über das Leben der Gelbbauchunke im Lillingtal und der selten vorkommenden Geburtshelferkröte auf Mallorca als seine
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