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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger
Autoren: Ilse Maria Dries
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charmante Fürsorglichkeit. Jetzt wurde sie endlich einmal verwöhnt. Jeden Morgen brachte Hans-Dieter heißen, süßen Yogitee in einer Thermoskanne mit zum Treffpunkt und teilte ihn brüderlich mit Anneliese.
    Eines Morgens entschied sie sich gegen ihre wasserdichten Stiefel mit grober Sohle und wählte geschmackvolle, weiblich wirkende Gummistiefel mit Blümchenmuster. Sie wollte auch als Umweltaktivistin chic aussehen, vielleicht auch wegen Hans-Dieter.
    Diese Entscheidung erwies sich im Nachhinein als fatal. Als Anneliese an einem schlammigen Hang bei Nieselregen Kröten einsammelte und behutsam in ihren grünen Eimer setzte, rutschte sie mit ihren glatten Gummistiefelsohlen aus, stürzte und rollte immer schneller eine nasse, steile Böschung hinunter. Ein Karpfenweiher rückte bedrohlich näher. Anneliese schrie auf, dann landete sie unsanft zwischen den Schilfgräsern und Schlotfegerpflanzen im flachen, kalten Teichwasser.
    Ihre Hand umklammerte immer noch den Henkel des Eimers, der umgekippt auf ihrem Bauch lag. Die Kröten erkannten die Chance zur Flucht, verließen hastig schlitternd den grünen Eimer und krochen über Annelieses Bauch in Richtung Wasser. Die fröstelnde Umweltaktivistin betrachtete die schlammgrünen, warzenbesetzten Tiere und ihr wurde in diesem Augenblick bewusst, dass sie diese trägen, hässlichen, mattäugigen, aus der Urzeit stammenden Geschöpfe verabscheute und deren Wohlergehen ihr völlig gleichgültig war.
    Der herbeigeeilte Hans-Dieter rettete Anneliese aus ihrer misslichen Lage. Am folgenden Tag legte sie ihr umweltschutzpolitisches Mandat ohne Bedauern und Erklärungen nieder und machte sich daran, den Dachboden zu entrümpeln. Der Spitzname Mutter Teresa aber blieb an ihr haften.
     
    Nach der Gymnastikstunde versammelten sich die Damen zum Sportlerinnenstammtisch. Wie immer bestellte Mathilde zuerst eine Flasche Erdbeersekt, dann tranken sie feierlich auf ihren Plan. Fit durch das regelmäßige Training wollten sie in einiger Zeit am Bauchtanzkurs für Anfänger an der Volkshochschule Forchheim teilnehmen und zukünftig bei besonderen Anlässen im Dorf als glamouröse Bauchtanzgruppe Erfolge feiern.
    Heute jedoch gab es ein aktuelles Thema zu besprechen. Die Dorfkirchweih rückte näher und die sportlichen Frauen hatten beschlossen, dieses Jahr am traditionellen „Betzenaustanzen“ teilzunehmen. Bisher hatten sie sich nicht einigen können, ob alle Damen gleichfarbige Dirndl oder Kleider in unterschiedlichen Farben tragen sollten.
    Sie waren gerade in die Speisekarte vertieft, als Klarissa aufgeregt in den Gastraum stürzte. „Kati Simmerlein ist tot, sie ist ermordet worden!“
     
    Am Montagabend besuchte Hauptkommissar Gerd Förster seine Eltern in ihrem kleinen, gepflegten Haus in der Ortschaft Schlaifhausen, unterhalb des Walberlas. Das typisch fränkische Dorf schmiegte sich an die Südflanke des Berges. Von einem Parkplatz aus führten Wanderwege über Stock und Stein an faszinierenden Felsgebilden vorbei auf den Bergsattel.
    Als Kind war er wohlbehütet in der dörflichen Gemeinschaft aufgewachsen und hatte in Forchheim das Gymnasium besucht, als Erster in der Familie.
    Gerd Förster stammte aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater hatte als Feinmechaniker bei einer großen Firma gearbeitet, bevor er in Rente ging. Seine Mutter, eine gelernte Schneiderin, war stundenweise arbeiten gegangen, um das magere Familienbudget aufzubessern.
    Seine Eltern standen beide vor der Vollendung ihres achtzigsten Lebensjahres. Gerd Förster war ein verspäteter, ungeplanter Nachwuchs, das Nesthäkchen der Familie. Seine ältere Schwester Ulrike hatte sich ob dieses unverhofften Geschenkes begeistert gezeigt und mit seiner Mutter um die Kinderbetreuung gewetteifert. Aus dieser Zeit stammte wohl noch ihr irritierendes Verhalten, ihn zu bemuttern.
    Gerd Förster versuchte, mindestens einmal in der Woche seinen Eltern einen Besuch abzustatten, weil er wusste, dass er ihnen damit eine große Freude bereitete. Abends waren sie immer zu Hause. Beide waren noch rüstig und hielten ihr Haus und den Garten, hinter dem sich unzählige Kirschbäume das Walberla hinaufzogen, tiptop in Ordnung. Manche Arbeiten gingen ihnen jedoch nicht mehr so leicht von der Hand, und Ulrike, die mit ihrer Familie im Nachbardorf Wiesenthau unterhalb des imposanten Schlosses lebte, schaute jeden Tag bei ihren Eltern vorbei, half bei Bedarf und erledigte die Großeinkäufe. Gerd Förster übernahm handwerkliche
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