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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger
Autoren: Ilse Maria Dries
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zurück. Zwei leblose, hervorquellende Augen starrten sie beharrlich und irgendwie verzweifelt an.
    Sie schrie schrill auf und schrie und schrie, dann konnte sie sich an nichts mehr erinnern.
     
    Die beiden Kommissare aus Bamberg, Mandy Bergmann und Gerd Förster, stellten ihren Dienstwagen auf dem Parkplatz neben dem Fremdenverkehrsbüro in Ebermannstadt ab. Von dort aus waren es nur einige Schritte zur Wiesent und dem historischen Wasserrad.
    Sie waren seit einiger Zeit ein Team und hatten im Sommer gemeinsam zwei Mordfälle in einem kleinen Dorf in der Nähe aufgeklärt. Der Landwirt Georg Mirsberger und Helene von Falkenstein, eine kundige Heilkräutersammlerin, waren einem grausamen Verbrechen zum Opfer gefallen.
    Mandy Bergmann war sechsunddreißig Jahre alt, stammte aus Leipzig und war hochgewachsen und durchtrainiert. Sie trug ihr Haar sportlich kurz geschnitten, derzeit war es rabenschwarz gefärbt. Ihre Haarfarbe änderte sich ständig. Die vollen Lippen angespannt aufeinandergepresst, näherte sie sich dem strudelnden Wasser.
    Gerd Förster folgte ihr. Er war sieben Jahre älter als seine Kollegin und ein gutaussehender Mann. Über eins neunzig groß, schlank, dunkelblonde, wellige Haare, ein weiches, sympathisches Gesicht und meerwasserblaue Augen machten seine äußere Erscheinung aus. Der Kommissar war von seinem Wesen her aufmerksam, sanft und charmant – ein richtiger Frauenschwarm. Allerdings war er Single, ebenso wie Mandy, aus verschiedenen Gründen.
    Sie hatten beide warme Jacken übergezogen. Es war kalt an diesem Septembermorgen.
    Die Spurensicherung war bereits vor ihnen eingetroffen und Beamte der Polizeidirektion Ebermannstadt hatten mit rot-weißen Absperrbändern den vermeintlichen Tatort gesichert.
    Kurz nach sieben Uhr war ein Notruf in der Zentrale in Bamberg eingegangen. Menschen, die in der Nähe des Wasserrades wohnten, hatten die Polizei alarmiert, weil eine Frau am Ufer der Wiesent laut und durchdringend geschrien hatte. Erst als sie in Ohnmacht fiel, waren ihre Schreie verstummt. Die Besatzung eines Rettungswagens, der direkt bis zum Ufer des Flusses gefahren war, kümmerte sich um sie. Die Frau saß schlotternd, eingehüllt in eine warme Decke, auf der Sitzbank des Fahrzeugs, dessen Türen offen standen, und trank heißen Tee aus einem Becher, den sie mühevoll umklammerte.
    Neben ihr saß ein Hund, der seine Umgebung aufmerksam beobachtete. Vor ihm auf der Erde lag ein nasses Stöckchen.
    Mandy Bergmann und Gerd Förster traten an das Ufer, von dem das alte, denkmalgeschützte Wasserrad etwa eineinhalb Meter entfernt war. Umgeben von einer stabilen Holzkonstruktion, maß es etwa fünf Meter im Durchmesser und verfügte über mächtige Schaufeln und Schöpfgefäße, die an den beiden hölzernen Rädern in gleichmäßigen Abständen befestigt waren. Im unteren Fünftel strömte der Fluss gurgelnd um das beeindruckende Relikt aus vergangener Zeit.
    Die Bewässerungsrinnen trafen sich in einer verbreiterten Vorrichtung, die früher das Wasser gesammelt und auf die Äcker geleitet hatte. Diese Hauptrinne war etwa fünf Meter lang, vierzig Zentimeter breit, die Wände an beiden Seiten zwanzig Zentimeter hoch. Sie führte vom Wasserrad in leichter Schräge nach unten zum Ufer. Ihr Boden war mit Algen und Schlamm bedeckt.
    Mandy wurde bleich. Das Bündel, das Miroslava Nepomuc entdeckt hatte, war eindeutig eine Leiche.
    Sie lag mit dem Rücken auf dem oberen Bogen des Rades auf den dicken Querstreben. Ihre Hände und Füße waren mit weißen Bändern an die äußeren beiden Räder gefesselt, wodurch sowohl Arme als auch Beine weit gespreizt waren. Sie trug ein weißes Gewand, das ihren Körper bis zu den nackten Unterschenkeln verhüllte. Sie hatte keine Schuhe an. Der rubinrote Nagellack auf den Fußnägeln wirkte in dieser unwirklichen Umgebung grotesk. Am rechten Fußgelenk schien etwas zu glitzern. Die Arme lagen gespannt, weiß und bloß, schräg über den Holzstreben. Der Kopf war auf die Seite gefallen, die langen, blonden Haare umgaben ihr Gesicht wie ein feuchter Fächer. Augen von undefinierbarer Farbe, die panisch aus ihren Höhlen getreten waren, starrten ins Nichts. Es handelte sich um eine weibliche Leiche, anscheinend eine junge Frau.
    Ein älterer Rettungssanitäter trat auf die Kommissare zu: „Sie ist tot, wahrscheinlich schon seit einigen Stunden, wir konnten nichts mehr für sie tun. Ein hübsches Mädchen, wer ist denn derartig verrückt und tut so
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