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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger
Autoren: Ilse Maria Dries
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bemerkt. Niemandem kam die Tote bekannt vor. Die Ansammlung löste sich langsam auf. Leise und bedrückt sprachen die Menschen miteinander. So ein grausames und spektakuläres Geschehen hatte sich in Ebermannstadt noch nie zugetragen. Alle machten sich schockiert auf den Heimweg.
    Ein Kollege von der Spurensicherung winkte die beiden Kommissare zu sich heran. In der taunassen Wiese, die hier und da schlammige Stellen aufwies, waren deutlich Spuren von Reifen zu erkennen, die bis zur Uferböschung führten. „Es handelt sich um große, schwere Reifen wie zum Beispiel von einem Geländewagen“, erklärte er seinen Kollegen, „wir werden Abdrücke nehmen.“
    Die Befragung der zitternden Miroslava Nepomuc brachte keinerlei Erkenntnisse. Sie hatte, als sie vor der Arbeit ihren Hund spazieren führte, die Leiche entdeckt. Sonst wusste sie nichts zur Sache zu sagen. Heulend und klagend beteuerte sie immer wieder ihre Unschuld und begriff nicht, dass sie überhaupt nicht unter Verdacht stand. Nachdem ihre Personalien aufgenommen waren, wurde sie in einem Streifenwagen von einem fürsorglichen Polizisten nach Hause gebracht.
    Langsam, aber beharrlich drang jetzt die Morgensonne durch den schweren Nebel und die sich sanft im Wind wiegenden Weidenzweige. Die ersten Strahlen glitzerten im regen Wasser und nahmen dem Platz dadurch ein wenig von seinem Grauen.
    Gerd Förster lud seine Kollegin zu einem Kaffee in eine Bäckerei ein, die ein paar Schritte vom Ufer der Wiesent gelegen war. Sie wollten sich aufwärmen und ein erstes Resümee ziehen.
    Die Kommissare liefen vom Wasserschöpfrad am oberen Tor über die Brücke zum Marktplatz, dem Mittelpunkt der Stadt, mit seinen kunstvoll gestalteten, historischen Fachwerkhäusern. Zwei Brunnen zierten den Platz, auf dem mit dem Erhalt der Stadtrechte Viehmärkte abgehalten werden durften: der wasserspeiende Marienbrunnen aus Dolomitgestein und der Erlebnisbrunnen, an dem einst Ziegen getränkt wurden.
    Sie hängten ihre dicken Jacken an die Garderobe und ließen sich in einer ruhigen Ecke des Cafés an einem schmalen Tisch nieder. Der Kommissar bestellte zwei große Tassen Milchkaffee. Mandy rieb sich die kalten Hände und versuchte, sie warmzupusten.
    „Reife Leistung auf dem Wasserrad“, lobte der Kommissar seine Kollegin. „Was für ein außergewöhnlicher Tatort, schwer zugänglich und gleichzeitig sichtbar für jeden, der vorbeiläuft.“
    „Es schien, als wollten der oder die Täter die Tote präsentieren, aus irgendeinem Grund, der für uns noch im Verborgenen liegt“, überlegte Mandy mit leiser Stimme. Sie rang immer noch um Fassung.
    „Wir müssen am Anfang der Ermittlungen für alles offen sein, solange wir nichts Konkretes haben, und die pathologische Untersuchung abwarten“, entgegnete der Kommissar, „aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Opfer auf dem Wasserrad getötet wurde. Wenn es sich um nur einen Täter handelt, muss er über sehr viel Kraft verfügen, um eine Leiche auf ein Wasserrad zu schleppen. Das deutet eher auf einen männlichen Täter hin.“
    „Oder es waren mehrere Personen“, erwiderte seine Kollegin. „Wir müssen die Vermisstenmeldungen überprüfen, Gerd. Keiner hier kennt die Tote. Gegebenenfalls müssen wir uns an die Öffentlichkeit wenden.“
    „Ja, das machen wir“, antwortete der Kommissar, „und Sieglinde soll die Anwohner in der Nähe des Tatortes befragen, ob ihnen etwas aufgefallen ist.“
    Sieglinde Salome Silberhorn war eine junge Polizeioberwachtmeisterin der Polizeidirektion Forchheim, die die Bamberger Kommissare häufig und überaus engagiert bei ihren Ermittlungsarbeiten unterstützte. Bei den Mordfällen im Sommer hatte sie gute Arbeit geleistet.
    Gerd Förster winkte die Bedienung zum Bezahlen herbei. Der Mann kassierte ab, dann bemerkte er zögernd: „Sie sind von der Kripo Bamberg, nicht wahr? Mir ist etwas aufgefallen, das ich Ihnen gerne mitteilen wollte. Das Wasserrad dreht sich normalerweise, heute Morgen stand es still. Irgendjemand muss es justiert haben.“
    Die Kommissare blickten sich erstaunt an.
     
    An der Stelle, wo sich der Menschenauflauf zerstreute, stand immer noch eine Gestalt. Sie schaffte es nicht, sich vom Anblick des Tatortes loszureißen, auch dann nicht, als der Leichnam bereits abtransportiert war. Faszination und Sensationsgier funkelten in ihren Augen. Sie hatte die Tote bedauerlicherweise nur von Weitem betrachten können.
     
    Marga Simmerlein wanderte unruhig durch das
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