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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel
Autoren: Kenneth Oppel
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sagte er und hoffte aus ganzem Herzen, das auch glauben zu können.
    »Ich bin sicher, dass sie dir dankbar sind. Im Augenblick«, fügte sie eindringlich hinzu. »Nach einer Weile vergessen sie alles, was du für sie getan hast, und du bist doch wieder nur ein Sonderling für sie. Hast du ihnen von mir und den Fledern erzählt?«
    »Nur meiner Schwester.«
    »Warum den anderen nicht?«
    »Du weißt doch, warum«, sagte Dämmer. »Ich hatte Angst, sie würden mich ausstoßen. Aber vielleicht habe ich mich da geirrt.«
    »Das werden wir bald merken«, meinte Chimera mit leicht übermütiger Stimme. »Jetzt, da sie mich gesehen haben, wissen sie, dass es noch andere deiner Art gibt. Sie werden wissen, dass du tatsächlich ein anderes Tier bist.«
    »Sie lassen mich fliegen«, erzählte Dämmer leicht verzweifelt. »Es macht ihnen nichts mehr aus. Südwind sagt, dass mich die Kolonie sehr schätzt.«
    »Das sollte sie auch! Aber Südwind wird nicht für immer Anführer sein. Der nächste ist vielleicht nicht so tolerant.«
    Dämmer dachte daran, wie Nova ihn im Stich gelassen hatte.
    »Es klingt, als ob deine Kolonie sehr gerecht wäre«, sagte Chimera. »Meine war nicht so. Doch eines musst du wissen, Dämmer. Selbst wenn sie dich respektieren, wirst du doch nie wirklich einer von ihnen sein. Wie solltest du auch? Du bist anders.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Fleder-uga sagt, wir alle sehnen uns nach dem, was uns am ähnlichsten ist. Das liegt in unserer Natur.«
    Er empfand sie, diese Sehnsucht, so stark, dass es ihn fast krank machte. Gleichzeitig erschreckte sie ihn auch. Wenn er ihr nachgäbe, hieße das nicht, seine Kolonie und das, was er gewesen war, im Stich zu lassen? Ikarons Sohn, Sylphs Bruder. Er fühlte sich, als würde er auseinandergerissen.
    »Und wenn du hierbleibst«, meinte Chimera sanft, »wirst du nie eine Gefährtin finden.«
    Seine Mutter hatte dasselbe gesagt. Und er hatte ganz sicher nicht vergessen, wie die anderen Chiropter ihn damals auf der Insel gemieden hatten. Auch jetzt hatte er noch manchmal das Gefühl, als wäre es ihnen nicht so ganz geheuer, wenn er sich nahe bei ihnen aufhielt. Keiner fuhr ihm mehr über den Mund oder missachtete ihn, sie schienen ihn aufrichtig zu mögen. Doch sie hielten auf Abstand, als müssten sie gegen eine unwillkürliche Abscheu ankämpfen.
    »Also, ich muss nicht unbedingt eine Gefährtin haben«, brummelte er verlegen.
    »Dazu bist du sowieso noch zu jung«, sagte Chimera. »Aber irgendwann will jeder eine Gefährtin.«
    Im Moment machte er sich allerdings mehr Gedanken darüber, was passieren würde, wenn Sylph ihren Gefährten fände. Das würde wahrscheinlich gar nicht mehr so lange dauern. Sie war immer beliebt gewesen. Sie hätte dann ihr eigenes Nest, einen neuen Weggenossen und dann Neugeborene, um die sie sich kümmern müsste. Er würde sie dann immer noch treffen, aber das würde nicht dasselbe sein. Nachdem er sein ganzes Leben mit ihr Seite an Seite verbracht hatte, würde er sich einsam fühlen.
    »Fleder-uga sagt, dass wir stolz darauf sein sollen, was wir sind«, erzählte ihm Chimera. »Das war nicht immer einfach. Wir sind alle gemieden und vertrieben worden. Doch wir haben alle diese erstaunlichen Fähigkeiten, die kein anderes Tier sonst hat. Wenn du bei uns leben würdest, müsstest du dich nie wieder hässlich oder beschämt fühlen oder wie ein Außenseiter. Du bist einer von uns, Dämmer. Du gehörst zu uns.«
    Als sie das sagte, spürte er die Aufregung wie eine Woge in sich aufsteigen. Er glaubte nicht, dass er es jemals gehabt hatte, dieses Gefühl, dazuzugehören. Er war toleriert worden. Vielleicht wurde er jetzt sogar akzeptiert, aber war das dasselbe, wie richtig dazuzugehören?
    »Es wird schwer für dich werden«, sagte Chimera freundlich. »Für mich und alle anderen in unserer Kolonie sind die Entscheidungen von anderen getroffen worden. Wir wurden ausgestoßen. Uns wurde gesagt, wir wären keine Chiropter. Aber du musst das selbst entscheiden. Bist du ein Chiropter oder bist du ein Fleder?«
    »Ich weiß es immer noch nicht«, sagte er.
    »Weißt du noch den Weg zu uns?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Ich hoffe, dass du kommst.«
    Dämmer sah ihr nach, als sie davonflog, und spürte, wie ihn Panik überkam. Wenn er sie nun nie wiedersehen würde? Wenn er den Weg zu den anderen Fledern nicht finden würde? Er war vollkommen durcheinander und flatterte zu Sylph hinunter.
    »Sie wollen, dass ich mich ihnen anschließe«,
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