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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel
Autoren: Kenneth Oppel
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lächerliche Begegnung mit dem Tannenzapfen auf der Insel. Doch je länger er die Eier betrachtete, desto sicherer war er, dass Sylph recht hatte. Es war eindeutig ein sehr großes Nest mit hohem Rand, ungefähr drei Meter im Durchmesser.
    Ein Nest bedeutete Erwachsene.
    Dämmer blickte sich um, hob die Ohren und lauschte. Da war das beständige Tropfen auf die Felsen und in die Tümpel. Da war das Zischeln von Dampf. Da war das Geräusch von Sylphs und seinem Atem.
    »Kann ein einziger Saurier alle diese Eier legen?«, fragte sie leise.
    »Ich weiß nicht«, flüsterte er zurück. »Aber wenn sie hier drin ein Nest bauen, dann muss es irgendwo einen großen Ausgang geben.«
    Es gab keinen Grund, warum sie beide gemeinsam danach suchen sollten, Sylph würde doch nur immer wieder landen und hochkrabbeln müssen. Er würde schneller sein und sich weit oben außerhalb der Gefahrenzone halten.
    »Bleib hier«, sagte er. »Ich sehe zu, dass ich den Ausgang finde.«
    Er hatte erwartet, dass sie widersprechen würde, doch sie nickte nur und blickte benommen auf die Eier.
    Sehr leise flog er zu einem anderen hohen Steinturm und sah sich um. Von seinem neuen Beobachtungspunkt aus entdeckte er sofort einen Saurier, der hingestreckt auf dem Boden lag. Seine Augen standen offen, ohne zu zwinkern, und seine Brust hob und senkte sich nicht. Im unheimlichen Licht der Höhle schienen die grell grünen und roten Fäulnisflecke auf seinen Schuppen zu glühen. So, wie seine Haut durchhing und welch giftiger Gestank von ihm aufstieg, musste er schon lange tot sein. Sein Bauch und einer seiner Oberschenkel sahen angefressen aus.
    Dämmer wusste nicht, welche Art Saurier das war. Bisher hatte er ausschließlich einen Quetzal gesehen und der hier hatte eindeutig keine Flügel. Er war kleiner und mit seinen dünnen und beweglichen Beinen sicherlich zu einer beachtlichen Geschwindigkeit fähig. Das im Todeskampf verzerrte Gesicht zeigte seine scharfen Zähne: eindeutig ein Fleischfresser. Sein Vater hätte bestimmt den Namen gewusst, dachte Dämmer.
    Er flog weiter. In einem Tümpel lag halb unter Wasser ein weiterer Saurier, der so schrecklich aufgedunsen war, dass man kaum beurteilen konnte, ob er zu der gleichen Art gehörte wie der andere. Der Körper rutschte im blubbernden Wasser hin und her und die lose sitzende Haut schien jeden Augenblick von den Knochen gleiten zu wollen.
    Er flog tiefer in die Höhle hinein, schickte Klang aus und war ermutigt, als das Echo nicht gleich wieder zu ihm zurückkam. Nach einer Weile stieg der Boden an, war nun mit Geröll bedeckt und die Dunkelheit wirkte weniger undurchdringlich. Er roch frische Luft. Eifrig flog er weiter und erreichte schließlich den Ausgang der Höhle.
    Der wurde von dichtem Gestrüpp aus hohem Gras und anderen Pflanzen verdunkelt und wirkte, als ob er schon länger nicht mehr benutzt worden wäre. Dämmer landete auf einem Ästchen. Sylph und er hätten hier keine Schwierigkeit, hindurchzukrabbeln. Er konnte ein kleines Stück vom Mond sehen und hörte das Rauschen des Windes im Gras. Von außen war der Höhleneingang bestimmt nur für die zu sehen, die wussten, dass er sich hier befand. Er überlegte, wie hartnäckig Reißzahn wohl bei seiner Verfolgungsjagd sein würde. Bestimmt fand sich auf dem Grasland lohnendere Beute.
    Aufgeregt machte er sich auf den Rückweg zu Sylph.
    »Wir sind gerettet!«, rief er und landete neben ihr. »Es gibt einen Weg nach draußen.«
    »Und was ist mit den Sauriern?«
    »Ich hab zwei tote Saurier gesehen. Erwachsene. Ich glaube, sie haben diese Fäulniskrankheit gehabt, von der uns Papa erzählt hat.«
    »Sie müssen hergekommen sein, um hier ihre letzten Eier zu legen«, sagte Sylph und starrte auf das Nest hinunter. »Die werden jetzt nicht schlüpfen, nicht, ohne dass sie jemand warm hält.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher. Hier drin ist es doch ziemlich warm.«
    Dämmer fragte sich, ob die Saurier gewusst hatten, dass der Dampf aus den Tümpeln ihre Eier sogar nach ihrem Tod noch ausbrüten würde.
    »Waren sie Fleischfresser?«, fragte Sylph.
    »Ich glaube schon. Wir sollten jetzt zusehen, dass wir hier rauskommen.«
    Sylph warf sich von ihrem Platz, doch anstatt möglichst hoch zu gleiten, setzte sie zum Sturzflug an, geradewegs auf die Eier zu.
    Zwischen Schlamm und zertrümmerten Schwanzknochen beschnupperte Reißzahn den Dampf, der aus dem Loch in der Erde entwich.
    »Die sind da unten«, sagte er.
    »Wir haben genug Zeit wegen
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