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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel
Autoren: Kenneth Oppel
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blickte in die Höhle zurück, doch seine Augen waren nicht mehr an die Dunkelheit angepasst. So schickte er eine Salve von Klängen aus und erblickte in ihrem Echo den schlanken Körper des Sauriers, der in schnellen und wendigen Sprüngen auf sie zukam.
    »Er kommt!«, schrie er und stürzte sich zusammen mit Sylph vorwärts.
    Kurz bevor sie sich ganz nach draußen gekämpft hatten, sah Dämmer durch das dünner werdende Blattwerk die vier Hyaenodonten auf dem Boden kauern. Sie hielten zwar einen guten Abstand zum Höhlenausgang, doch sie beobachteten ihn mit konzentrierter Aufmerksamkeit.
    »Da runter!«, rief Dämmer und berechnete eine Gleitbahn für Sylph, die sie im hohen Gras in Deckung bringen könnte. Vielleicht würden die Hyaenodonten sie nicht bemerken.
    Äste krachten, als der Saurier sich hinter ihnen seinen Weg bahnte. Blinzelnd sprang Dämmer mit Sylph an seiner Seite in das frühe Tageslicht. Ihre dunklen Körper mussten gut zu erkennen gewesen sein, denn er sah, wie zwei Hyaenodonten aufsprangen, auf sie zurannten und dann wie erstarrt stehen blieben.
    Dämmer blickte zurück und sah den jungen Saurier durch das Gebüsch brechen. Der hielt inne, blinzelte und betrachtete die Welt jenseits seiner Höhle ganz offensichtlich zum ersten Mal. Mit blutverschmierter Schnauze, wie Dämmer bemerkte.
    Die Hyaenodonten fingen an zu bellen und sträubten die Nacken- und Schwanzhaare. Doch sie kamen nicht näher.
    Mit einer eigenartigen, fast vogelähnlichen Bewegung legte der Saurier den Kopf schräg, machte aber keine Anstalten, sich zurückzuziehen.
    Und dann konnte Dämmer nichts mehr sehen, weil er von dem hohen Gras umgeben war. Er bremste mit den Flügeln ab, um auf dem schnell näher kommenden Boden zu landen. So schnell es ihnen ihr erschöpfter Zustand erlaubte, ließen Sylph und er das Gebell der Hyaenodonten hinter sich.
    Dämmer flog über dem Gras und bewachte Sylph, die sich auf dem Boden abmühte. In großer Entfernung hatte er den Giftholzbaum entdeckt, und es war klar, dass es noch einige äußerst anstrengende Stunden dauern würde, bis sie ihn erreichten. Die Sonne war gerade über den Horizont gestiegen. Es gefiel ihm gar nicht, am Tag unterwegs zu sein, doch sie hatten keine andere Wahl. Er konnte nur hoffen, dass Südwind mit der Kolonie noch warten würde.
    Über das Grasland galoppierten zwei Equiden auf sie zu. Besorgt blickte er hinter sie, doch er sah keinen Verfolger. Sie rannten einfach, weil sie es gut konnten und aus reinem Vergnügen, und während er sie beobachtete, merkte Dämmer, wie sein Mut wieder stieg. Als sie näher kamen, erkannte er ihre Musterung: Es waren Dyaus und Harf, und er konnte nicht widerstehen, sie anzurufen. Er war so froh darüber, Wesen zu treffen, die kein Interesse daran hatten, sie zu fressen.
    Er tauchte nach unten ab, um es Sylph zu erzählen.
    »Da kommen Equiden. Ich kenne die beiden und ich will mich mit ihnen unterhalten.«
    Er flog auf sie zu und rief ihnen eine weitere Begrüßung zu, wobei er die Segel zur Seite neigte, damit sie ihn leichter sehen konnten.
    »Ah«, sagte Dyaus, »ich erinnere mich an dich. Dämmer.«
    »In dieser Richtung müsst ihr aufpassen«, sagte Dämmer. »Da gibt es Hyaenodonten und einen Saurier.«
    »Ein Saurier?«, rief Dyaus aus.
    »Wir haben gedacht, sie wären alle tot!«, murrte Harf.
    »Nein. Da ist ein Nest in einer unterirdischen Höhle. Wir haben acht Eier gesehen. Zwei sind schon geschlüpft.«
    Harf seufzte tief auf. »Noch etwas, das wir zu ertragen haben, fürchte ich.«
    »Wo willst du hin?«, fragte Dyaus.
    »Ich suche meine Kolonie«, sagte Dämmer, während er über ihnen auf der Stelle flatterte. »Wenigstens, was von ihr übrig ist. Wir wollten uns im Giftholzbaum treffen.«
    »Mit deinen Flügeln wirst du nicht lange brauchen«, sagte Harf. »Manchmal hätte ich gerne Flügel. Das wäre doch schön.«
    »Aber meine Schwester kann nicht fliegen«, erklärte Dämmer.
    »Hallo«, sagte Sylph, die sie gerade erreicht hatte.
    Dyaus blickte auf sie hinunter. »Auf eurem Weg gibt es Nester von Diatrymas«, warnte er.
    Dämmer sog die Luft ein. »Danke, dass ihr uns gewarnt habt.« Es sah so aus, als wären die Gefahren keineswegs vorüber.
    Die beiden Equiden blickten sich an.
    »Ich trage sie«, sagte Dyaus, »auf dem Rücken.«
    »Wirklich?« Dämmer war von ihrer Freundlichkeit überwältigt.
    »Machen wir einen Wettkampf«, sagte Harf voller Begeisterung, die gar nicht zu ihm zu passen schien, »wer
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