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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden
Autoren: V.C. Andrews
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Als er in mein Zimmer trat, war ich jedoch bereits angekleidet und fertig. Ich stand ohne Krücken. Lange sahen wir uns nur an; dann wandte er seinen Blick dem Bild zu, das ich von ihm gemalt hatte.
    »Donnerwetter, das ist wirklich gut.«
    »Ich hatte gehofft, daß es dir gefällt.«
    »Daß es mir gefällt? Ich liebe es. Du bist eine großartige Malerin, Annie. Die Leute werden einmal riesige Summen für deine Bilder zahlen!«
    Erneut sahen wir einander schweigend an. Immer, wenn einer von uns etwas gesagt hatte, trat wie selbstverständlich eine lange Pause ein, in der nur unsere Augen sprachen. Jetzt gerade sagten ihm meine Augen, wie sehr ich ihn liebte und brauchte und wie sehr ich mich vom Schicksal betrogen fühlte.
    Und seine Augen sagten mir das gleiche.
    Ich hatte gedacht, Tante Fanny würde nachgeben und uns begleiten, aber in ihr steckte die gleiche Casteelsche Sturheit, die ihrer Ansicht nach auch Luke und Drake besaßen. Jetzt brach sie unser quälendes Schweigen. Sie stand in meiner Zimmertür, die Hände in die Hüften gestemmt und den Kopf in den Nacken geworfen – ihre typische Haltung.
    »Ich kann einfach nich glauben, daß du hierherkommst, nur um sie dahin zu bringen, Luke. Du hättest sie nich ermutigen sollen.«
    »Ich wäre auch ohne ihn gefahren, Tante Fanny.«
    »Deine Mutter ist vor diesem Mann und vor diesem Ort davongerannt, Annie.«
    »Ich weiß.« Ich blickte lange auf eines der Fotos von Mammi auf meinem Toilettentisch. Es gehörte zu meinen Lieblingsfotos, denn auf ihm blickte sie zu den Willies hinüber, wobei offenbar irgendeine schöne Erinnerung ihre kornblumenblauen Augen zum Leuchten brachte. »Aber sie hatte die Fähigkeit, nach dem Unwetter die Regenbogen zu sehen, deshalb glaube ich, sie wäre auch zu Tonys Beerdigung gegangen, Tante Fanny.«
    24. KAPITEL

    MEIN PRINZ

    Als wir uns zur Abreise fertigmachten, stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn wir jetzt gleich in unsere Flitterwochen fliegen würden. Was wäre, wenn wir einfach das Schicksal herausfordern, wenn wir davonlaufen und heiraten würden?
    Dann wäre dies die romantischste, zärtlichste Reise unseres Lebens. Stewardessen und andere Fluggäste würden verstohlen beobachten, wie wir uns aneinanderschmiegten. Sie würden still vor sich hinlächeln und dabei denken, wie schön junge Liebe doch sein konnte!
    Als Luke mir in den Wagen half, der uns zum Flughafen bringen sollte, sah ich in sein Gesicht und konnte nur das eine denken: Wir gehören zusammen. Sollten wir uns wirklich unser ganzes Leben dagegen sperren? Man brauchte sich ja nur das Schicksal meiner Eltern vor Augen halten oder an die Pein denken, die Tony mitgemacht hatte. Warum sollten wir nicht das Glück wählen?
    Während der Fahrt zum Flugplatz und während des Fluges überlegte ich unaufhörlich, ob ich Luke von dem Brief in der Spielzeughütte erzählen sollte oder nicht. Luke war während der Reise bislang sehr höflich, fast förmlich gewesen. Ich wußte, daß er versuchte, eine Wand zwischen seinen Gefühlen und mir aufzubauen, aber es war eine Qual für uns beide. Bald wußten wir uns keine unverfänglichen Dinge mehr zu erzählen, und jedesmal, wenn unsere Augen sich begegneten, pochten unsere Herzen so stark, daß unsere Gesichter sich dunkelrot färbten. Der Leidenschaft in uns würden wir nicht so einfach trotzen können. Da wäre es noch leichter, die im Rhythmus der Gezeiten hin- und herströmenden Meeresfluten zum Stillstand zu bringen oder die Blitze zu besänftigen, die über den Sommerhimmel zuckten.
    Weil das Schicksal von Troy und Mammi dem von Luke und mir so sehr ähnelte, hatte ich das Gefühl, daß er erfahren müsse, wie sehr auch sie gelitten hatten. Sicherlich würde er dann besser begreifen, warum Mammi so unglücklich über unsere Freundschaft gewesen war.
    Ich begann mit der Spielzeughütte; dann erzählte ich von meiner Entdeckung. Als ich einige von Troys Worten zitierte, traten Tränen in seine dunkelblauen Augen.
    »Ich kann ihn sehr gut verstehen. Auch ich würde gerne der Welt den Rücken zukehren und allein auf der anderen Seite des Irrgartens leben«, sagte Luke.
    »Nein, Luke, du darfst dich nicht von der Welt zurückziehen, so wie er es getan hat. Du mußt dir deinen Wunschtraum erfüllen und Arzt werden, und du mußt Liebe finden, reine, vollkommene, unschuldige Liebe. Du hast das wirklich verdient.«
    »Und du?«
    »Ich werde das gleiche tun…«
    »Du bist keine gute Lügnerin, Annie. Deine Augen verraten
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