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Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nacht ohne Angst: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Angélique Mundt
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ihr durch den Kopf, der sie fast hätte auflachen lassen. Wenn er den Lichtschalter fand, würde sie auf dem Präsentierteller hocken. Häschen in der Grube …
    Sie kroch vorwärts und spürte einen kleinen Lufthauch. Sie robbte weiter und ertastete endlich eine angelehnte Tür. Das musste das Archiv sein. Sie krabbelte so schnell sie konnte hindurch und schloss sie leise hinter sich. Kein Schlüssel. Eine einfache Türklinke. Von beiden Seiten zu öffnen. Tessa durchzuckte wieder der Gedanke: Sie würde heute sterben. Hier unten im dunklen, miefigen Keller. Zwischen Tausenden Schicksalen, auf Papier niedergeschrieben und zwischen Aktendeckel gepresst. Vergessen und verstaubt. So wie ihr Leben. An sie würde sich niemand erinnern. Ein bitterer Geschmack. Vielleicht sollte sie ihm doch entgegengehen? Der Sache ein schnelles Ende machen. Warum eigentlich nicht?
    Nein, sie konnte sich nicht der panischen Angst überlassen. Sie musste sich zusammenreißen. Jetzt bettelte sie in Gedanken schon um einen schnellen Tod. Sie würde nicht aufgeben. Sie wollte kämpfen. Sie wusste zwar nicht, wie, aber sie wollte leben. Sie blinzelte ihre Tränen weg und schüttelte die Benommenheit ab. Wenn sie starb, dann nicht, weil sie aufgegeben hatte. Das wäre der einfache Weg. Den war sie noch nie gegangen. Sie würde jetzt nicht damit beginnen.
    Tessa robbte auf den Knien weiter. Ihr kam der Gedanke, sich unter einem Regal zu verstecken. Aber wenn er das Licht anschaltete, wäre sie schnell entdeckt. Vielleicht konnte sie ein Regal umkippen, wenn er nah genug bei ihr war? Unfug. Die Regale waren mit Tonnen von Papier gefüllt und unmöglich umzustürzen. Ob die Regale vielleicht am Boden gesichert waren, wollte sie gar nicht wissen. Alles sinnlos. Es gab kein Versteck. Nirgendwo. Sie war in einer Sackgasse gelandet. Eine Waffe. Sie brauchte eine Waffe. Sie konnte ihn nicht mit Akten erschlagen. Sie hatte Panik. Sie konnte einfach nicht mehr klar denken. Ihre Hände glitten an den Regalen entlang auf der Suche nach etwas, was sie gegen ihn einsetzen konnte.
    Das durfte nicht wahr sein. Wo war sie? Koster wandte sich nach rechts, suchte den Lichtschalter. Im aufflackernden Licht der Neonröhren sah er sie. Sein Herzschlag setzte aus. Nein. Bitte nicht. Doch es gab keinen Zweifel. Tessas Handtasche. Ein Henkel abgerissen, ein Lippenstift und ihr Handy waren herausgefallen, die Schlüssel lagen wenige Zentimeter entfernt. Und Patienten-Akten. Er hob sie auf: Kurt Mager und David Brömme. Tessa war hier unten. Und Brömme auch. Daran hatte er keinen Zweifel. Er ging zur Glastür, die ins Freie führte. Verschlossen. Sie mussten also noch hier unten sein. Ohne Schlüssel kamen sie hier nicht raus. Aber das wollte Brömme vielleicht auch gar nicht.
    Er musste einfach lachen. Er konnte nicht anders. Sie rannte vor ihm weg. Also wirklich. Wo wollte sie denn hin? Oder wollte sie mit ihm spielen? Eine Jagd. Warum nicht. Am Ende würde er sowieso bekommen, was er sich so sehr wünschte, und dann … Wieder nervte der Gedanke, was er danach mit ihr tun sollte. Aber jetzt musste er sich erst mal auf das Spielchen konzentrieren. Also, Tessa, ich komme. Sollte er Licht machen? Nein, das wäre ja kein Spaß. Er hatte immerhin eine Taschenlampe. Und das Messer. Sie hatte nichts. Er lief los, rüttelte an Türen – bis sich eine öffnete. Er spürte sie.
    »Tessa? Böses Mädchen. Komm, bleib bei mir.«
    Er hörte sie atmen. Ging langsam in den Raum und drückte den Lichtschalter. Er wollte sein Reh erstarren sehen. Die Neonröhren der Deckenbeleuchtung flackerten auf.
    Die blanke Todesangst verlieh Tessa neue Kraft. Sie sprang ihm entgegen. Der Schrei, den sie dabei ausstieß, musste ohrenbetäubend sein. Sie wusste nicht, ob der Lärm ihr Mut oder ihm Angst machen sollte. Sie schrie einfach immer weiter und schlug wie von Sinnen auf ihn ein.
    »Du Miststück!«
    Seine Stimme klang zornig und Tessa spürte in der Sekunde einen brennenden Schmerz am Arm. Sie hatte sich gerade noch rechtzeitig weggeduckt, um dem Messer auszuweichen, das er ihr in den Hals stoßen wollte. Automatisch hatte sie die Schulter hochgezogen, und dort musste das Messer sie getroffen haben. Der Schmerz war unerträglich. In ihrem Kopf drehte sich alles, und sie wollte aufgeben. Sie erstarrte.
    Koster sah sich um, versuchte zu erfassen, wohin die verschiedenen Gänge führen mochten. Ein Kellerlabyrinth. Er hatte keine Ahnung, wohin er lief, als er plötzlich ihren Schrei hörte.
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