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Nacht-Mähre

Titel: Nacht-Mähre
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ein kleines Stück an der Trichterwand empor, doch da glitt sie auch schon wieder unaufhaltsam in die Tiefe. Ihre Hufe fanden keinen Halt – nichts konnte hier einen Halt finden! Sie war in das Land ohne Wiederkehr vorgedrungen. Sie rutschte immer schneller ab.
    Mit einem Wiehern aus purer Angst und Verzweiflung stürzte die Mähre Imbri in das schwarze Loch des Nichts.
     
    Chamäleon schien emporzuschweben, mit erstaunlich häßlichem Gesicht und Körper, aber mit wunderschöner Seele. »Chem! Chem!« rief sie über den Dschungel von Xanth hinweg. »Chem Zentaur – wo bist du?«
    »Hier bin ich!« rief Chem. »Hier bei der Gorgone. Mach dir keine Sorgen – sie ist völlig verschleiert!«
    »Wir brauchen deine Seele«, sagte Chamäleon und schwebte zu ihnen hinab.
    »Ich habe nur meine halbe Seele«, erwiderte die Zentaurin. »Imbri die Nachtmähre hat die zweite Hälfte.«
    »Nein, du hast jetzt die ganze. Spürst du es denn nicht?«
    Chem war überrascht. »Ja, tatsächlich, ich spüre es wirklich! Ich fühle mich, als würde ich schweben! Aber wie ist so etwas möglich? Ich habe Imbri nie ihre Hälfte geneidet, und meine Hälfte war im Begriff, sich zu regenerieren und nachzuwachsen. Jetzt habe ich plötzlich mehr als nur eine ganze Seele. Das ist zuviel!«
    »Imbri ist in das schwarze Loch gestürzt«, erklärte Chamäleon. »Sie hat den Pferdmenschen getötet und seinen magischen Talisman ins Nichts befördert, um uns aus unserer Verzauberung zu befreien, aber sie selbst konnte dem Nichts dabei nicht mehr entfliehen.«
    »Dem Nichts? Aber das ist ja entsetzlich! Soll das etwa heißen, daß sie nun tot ist – bei allem, was sie für Xanth getan hat?«
    »Nein. Wir glauben, daß ein wesentlicher Teil von ihr überlebt hat. Sie hat den Körper verloren, als sie ihr Opfer für uns darbrachte, um die Kette zu sprengen und die Prophezeiung wahrzumachen, aber ihre Seele ist am Leben geblieben. Das Nichts kann keine Seele beherrschen. Die Seele ist das einzige in Xanth, was dem schwarzen Loch nicht anheimfallen kann.«
    »Aber dann ist sie ja zu mir zurückgekehrt! Es war ja auch nicht ihre eigene Seele, denn die Lebewesen im Kürbis haben keine. Sie müssen sie sich von uns ausleihen, die wir welche besitzen. Ich will ihre Seelenhälfte aber nicht behalten! Ich will, daß Imbri am Leben bleibt! Nach allem, was sie für Xanth getan hat, und wo sie doch solch eine nette Person ist…« Die Zentaurenstute weinte höchst menschliche Tränen der Niedergeschlagenheit und der Trauer.
    »Das wollen wir doch alle«, meinte Chamäleon. »Deshalb haben der Gute Magier Humfrey und ich, als wir dies vorhersahen, entsprechende Pläne geschmiedet und vorgesorgt. Wir durften nicht eingreifen, solange wir uns im Kürbis befanden, aber sobald Imbri uns wieder freigesetzt hatte, hat Humfrey einen Zauber ausgesprochen, den er kannte. Einen Zauber, der ihre Seelenhälfte getrennt von deiner halten sollte, trotz ihres Ursprungs in dir.«
    »Aber wie… ich meine, wenn ihre Seele doch jetzt zu mir zurückgekehrt ist…?«
    »Imbri ist ebenfalls zurückgekehrt. Laß sie frei, Chem. Der Zauber des Guten Magiers macht es dir möglich, weil du es bist, die den obersten Anspruch auf ihre Seelenhälfte hat. Wenn du darauf verzichtest…«
    Sofort konzentrierte sich die Zentaurin. »Imbri, ich liebe dich! Ich lasse dich frei. Nimm deine Seelenhälfte und werde wieder du selbst!«
    Etwas Ungreifbares zerriß – und Imbri kam frei und schwebte empor. »Ist das wahr?« sendete sie. »Bin ich wirklich am Leben?«
    »Ja, schöne Nachtmähre!« sagte Chamäleon. »Du bist lebendig, und zwar im allerreinsten Sinne. Doch du hast deinen Körper eingebüßt. Nie wirst du wieder materielle Gestalt annehmen können. Du gehörst jetzt zur geistigen Welt, genau wie die Gespenster.«
    »Aber was kann ich denn ohne meinen Körper anfangen?« fragte Imbri entsetzt. Sie erinnerte sich an ihren schrecklichen Sturz ins Nichts – und an Chamäleons Eintreffen. Alles, was dazwischen gelegen hatte, war vergessen.
    »Auch das haben wir beachtet«, erwiderte Chamäleon. »Humfreys Zauber haben den Papierkram erledigt, oder was es auch sein mochte, so daß die Sache schon ihre Ordnung hat. Wir alle lieben dich, Imbri, und wir verdanken dir unser Leben und unsere Hoffnung, und wir möchten oft mit dir zusammen sein. Also wirst du eine richtige Tagmähre werden, die Tagträume und angenehme Abendträume vorbeibringt, ganz ähnlich wie früher. Nur daß es jetzt
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