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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna
Autoren: Martin Cruz Smith
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bitten wird, gar nichts zu unternehmen. Wir sind diejenigen, die die Sache zu einem internationalen Zwischenfall hochspielen könnten, aber die Mühe lohnt sich nicht, ehrlich gesagt. Wir werden auf unsere Art und in unserem Tempo ermitteln, obwohl es sich das kubanische Volk in dieser speziellen Periode* (Anm. d. Ü.: Ein rigides Sparprogramm, das Castro nach Ausbleiben sowjetischer bzw. russischer Unterstützung nach dem Zusammenbruch des Ostblocks verkündete.) nicht leisten kann, Ressourcen an Leute zu verschwenden, die sich als unsere Feinde zu erkennen gegeben haben. Verstehen Sie jetzt, was ich meine?« Rufo machte eine kurze Pause, während Arcos einen Moment brauchte, sich wieder zu fassen. »Der Capitán sagt, daß eine Ermittlung von vielen Faktoren abhängt. Die Stellung unseres Freundes an der russischen Botschaft muß in Betracht gezogen werden, bevor voreilige Schritte eingeleitet werden. Hier geht es lediglich um die Identifikation eines Ausländers, der auf kubanischem Hoheitsgebiet gestorben ist. Akzeptieren Sie, daß es sich um den russischen Staatsbürger Sergej Pribluda handelt?«
    »Das ist möglich«, sagte Arkadi.
    Dr. Blas seufzte, Luna atmete tief ein, und Osorio wog den Schlüssel in ihrer Hand. Arkadi kam sich unwillkürlich vor wie ein schwieriger Schauspieler. »Wahrscheinlich ist es so, aber ich kann nicht mit endgültiger Sicherheit sagen, daß es sich bei dieser Leiche um Pribluda handelt. Es gibt kein Gesicht, keine Fingerabdrücke, und ich habe erhebliche Zweifel, daß sich noch eine Blutgruppe feststellen läßt. Sie haben nur das Zahnschema und einen stählernen Zahn. Er könnte auch ein anderer Russe sein. Oder einer der vielen Kubaner, die einmal in Rußland waren. Oder ein Kubaner, der sich von einem Zahnarzt hat behandeln lassen, der in Rußland ausgebildet wurde. Wahrscheinlich haben Sie recht, aber das reicht nicht. Sie haben Pribludas Wohnung mit einem Schlüssel geöffnet. Haben Sie auch hineingesehen?«
    »Haben Sie noch irgendwelche anderen Unterlagen zur Identifikation aus Moskau mitgebracht?« fragte Dr. Blas in präzisem, abgehacktem Russisch.
    »Nur das hier. Pribluda hat es vor einem Monat geschickt.«
    Aus seiner Paßhülle zog Arkadi einen Schnappschuß von drei Männern, die an einem Strand standen und in die Kamera blinzelten. Einer von ihnen war so schwarz, daß er aus Gagat hätte gehauen sein können. Er präsentierte einen in allen Regenbogenfarben schillernden Fisch zur Bewunderung der beiden Weißen, einem kleineren Mann, der sein stahlwollenartiges Haar hoch aufgetürmt hatte, und, halb verdeckt von den anderen, Pribluda. Hinter ihnen war Wasser, ein Streifen Strand, Palmen.
    Blas betrachtete das Foto und las die auf die Rückseite gekritzelte Notiz: »Havana Yacht Club«.
    »Gibt es einen solchen Yacht-Club?« fragte Arkadi.
    »Es gab einen solchen Club vor der Revolution«, erwiderte Blas. »Ich denke, Ihr Freund hat sich einen Scherz erlaubt.«
    »Kubaner lieben pompöse Titel«, sagte Rufo. »Eine >Trinkgesellschaft< können einfach ein paar Freunde in einer Bar sein.«
    »Die anderen sehen für mich nicht russisch aus. Sie können Kopien des Fotos machen und sie herumzeigen.«
    Das Bild wanderte zu Arcos, der es Arkadi so eilig zurückgab, als wäre es giftig. »Der Capitán sagt«, übersetzte Rufo, »daß Ihr Freund ein Spion war und daß Spione ein böses Ende nehmen, wie sie es verdienen. Das ist typisch russisch, erst so zu tun, als wolle man helfen, und Kuba dann in den Rücken fallen. Die russische Botschaft schickt ihren Spion los und bittet uns, ihn zu finden, wenn er vermißt wird. Wenn wir ihn finden, weigern Sie sich, ihn zu identifizieren. Anstatt mit uns zusammenzuarbeiten, verlangen Sie eine Ermittlung, als ob Sie noch immer der Meister wären und Kuba der Lehrling. Da das jedoch nicht mehr der Fall ist, können Sie Ihr Bild mit zurück nach Moskau nehmen. Die ganze Welt weiß von dem russischen Verrat am kubanischen Volk, und, na ja, er sagt noch ein paar Sachen in derselben Richtung.« Soviel hatte Arkadi mittlerweile begriffen. Der Capitán sah aus, als wollte er ihn jeden Moment anspucken.
    Rufo gab Arkadi einen Schubs. »Ich glaube, es wird Zeit zu gehen.«
    Kommissarin Osorio, die das Gespräch bisher schweigend verfolgt hatte, überraschte plötzlich mit fließendem Russisch: »War noch ein Brief bei dem Bild?«
    »Nur eine Postkarte mit einem Hallo«, antwortete Arkadi. »Ich habe sie weggeworfen.«
    »Idiota«, sagte die
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