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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Autoren: Frank Schätzing
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das.«
    »Bist du sicher? Wir reden von einem Jahr. Die Buchmesse ist sozusagen übermorgen.«
    »Er hat doch seine Recherchen«, sagt Hannes sanft.
    »Ja, eben. Ich schaffe das. Ich schreibe das! Bis übermorgen ist noch jede Menge Zeit. Gleich morgen lege ich los.«
    Alle freuen sich.
    »Na dann. Prost.«
    Nun, drauf getrunken ist besiegelt. So gut wie Tinte unterm Vertrag. Vorgestern also gab ich ein Versprechen, das man nur morgens um vier in einer Bar geben kann.
    Vorgestern.
    Was war noch gleich vorgestern?
    Der Urknall!
    Vorgestern ist das Universum einem Punkt entsprungen, vor rund 13,7 Milliarden Jahren. So wenigstens stellt es sich uns dar. Es dehnte sich aus und erzeugte die Erde, auf der wir leben. Das war, nach kosmischen Maßstäben, gestern. Es prägt unsere heutige Existenz, als sei es eben erst geschehen. Vor nicht ganz einer Sekunde hat dann die Menschheit ihr »Cogito ergo sum!« in die Welt geschmettert.
    Vor zwölf Monaten, die mir vorkommen wie zwei Tage und zugleich wie eine halbe Ewigkeit, habe ich den ersten Satz des nachfolgenden Kapitels geschrieben.
    Aus den ursprünglich vorgesehenen 150 sind 500 Seiten geworden: eine Chronik der Meere und unserer Herkunft. Es ist die Geschichte, die ich mein Leben lang erzählen wollte, mir selbst und anderen. Sie hat so viele Kapitel, dass ich von meinen Recherchen für den Schwarm nur einen Bruchteil verwenden konnte. Vor 13,7 Milliarden Jahren beginnt diese Geschichte, als Raumzeit und Materie sich plötzlich ausbreiteten, bereits gesättigt mit den Grundbausteinen für spätere Sonnen, Planeten und Ozeane. Sie beginnt in einer Berliner Bar. Sie beginnt jetzt, da Sie zu lesen anfangen. Immer aufs Neue beginnt sie, und jedes Mal ein bisschen anders. Theorien werfen einander über den Haufen, andere Theorien vereinen sich, Daten und Fakten werden verschoben wie Figuren auf einem Spielfeld. Mit jeder neuen Erkenntnis fragen wir uns umso eindringlicher, woher wir kommen, was uns erwartet, wie wir handeln sollen. Im Kopf eines jeden Menschen urknallt es ohne Unterlass, expandieren Gedankenuniversen aus und erzeugen Galaxien, Sterne, Planeten und Leben. Unablässig gleichen wir den Stand unseres Wissens mit den Optionen unseres Handelns ab, wollen begreifen, einordnen, schlussfolgern, uns selbst finden oder wenigstens das Benutzerhandbuch für den Planeten Erde, in dem steht, wie wir mit unserer fremd gewordenen Heimat umzugehen haben — einer Heimat, die zu großen Teilen im Dunklen und Tiefen liegt, bis zu elf Kilometern unter der Wasseroberfläche.
    Nein, Nachrichten aus einem unbekannten Universum versteht sich nicht als der Weisheit letzter Schluss. Den kann und wird es niemals geben. Vielmehr habe ich versucht, den Großteil aller bisher erzählten Geschichten über die Meere und unsere Rolle auf Erden in eine aktuell gültige Version zu fassen. In der Schule haben wir gelernt, dass Lehrerwissen absolutes Wissen ist. Doch Wissenschaft kann niemals absolut sein. Sie ist die Kunst der Annäherung. Sie definiert nicht, sondern kreist ein, zieht keine Trennlinien, sondern schafft Übergänge, kennt keine Dogmen, sondern Entwicklungen. Sie kann nichts verifizieren, sondern nur durch Wegstreichen von Variablen ein möglichst klares Bild entwerfen. Selbst die Naturgesetze sind streng genommen Hypothesen. Wenn der Apfel jedes Mal zu Boden fällt, sobald man ihn loslässt, drängen sich absolute Aussagen regelrecht auf. Im Grunde resultieren die entsprechenden Gesetze aber nur aus identischen Versuchsreihen, die bis heute ausnahmslos das gleiche Ergebnis lieferten.
    Nein, Sie werden in diesem Buch nicht die absolute Wahrheit finden, sondern eine Geschichte von hoher Wahrscheinlichkeit, die vorläufige Essenz weltweiten Forschens. Beispielsweise erhebt keine Jahreszahl auf der geologischen Zeitachse, die sich im Anhang dieses Buches findet, Anspruch auf Absolutheit. Beim Blick ins Internet werden Sie feststellen, dass der Beginn der Erdzeitalter variiert, dass bisweilen sogar ganz neue Zeitalter hineingelangen, so wie erst kürzlich das Ediacarium. Suchen Sie bitte erst gar nicht nach ultimativen Daten, Sie würden keinen Erfolg haben. Mit jeder neuen Erkenntnis verändert sich die Skala. Die Zeitaltertabelle im Anhang gibt wieder, worauf sich in diesen Tagen das Gros der Fachleute einigt. Vielleicht haben Sie die Diskussion um den Tyrannosaurus Rex mitbekommen. Fast monatlich wird das Bild der Riesenechse korrigiert. Mal ist er ein fußlahmer Aasfresser, dann
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