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Nach uns die Kernschmelze

Nach uns die Kernschmelze

Titel: Nach uns die Kernschmelze
Autoren: Robert Spaemann
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solcher Katastrophen fragt man sich jedoch, ob Gott ein lieber oder ein zorniger Gott ist.
    Was den zornigen Gott betrifft: Gott ist kein alter Mann, der sich aus dem Konzept bringen lässt, sondern der Zorn erscheint als die Kehrseite der Liebe. Gott ist immer gleich, er verändert sich nicht. Aber Gott ist einmal die Sonne, die wärmt, und einmal die Sonne, die verbrennt. Das liegt aber nicht an der Sonne, sondern an den Bedingungen auf der Erde.
    Sehen Sie im Geschehen in Japan den zornigen Gott?
    Man kann das. Aber man sollte sich zurückhalten. Und wir müssen vorsichtig sein und nicht mit wohlmeinenden Tröstungen aufwarten. Papst Benedikt hat vor dem Tor von Auschwitz etwas Entscheidendes getan: Er hat gebetet. Er hat keine Begründung gegeben, sondern einfach die Frage nach dem Warum stehenlassen und in ein Gebet gefasst.
    Jetzt glauben Christen – anders als Buddhisten – an einen personalen Gott. Inwieweit hilft ein solcher Glaube in dieser Krise?
    Unter einem nichtpersonalen Gott kann ich mir gar nichts vorstellen. An Gott glauben heißt ja, an einen Gott glauben, der es gut meint. Um es gut zu meinen, muss man Person sein. Ich kann Gott vertrauen, weil er Person ist.
    Sind die Japaner mit ihrer Glaubenstradition im Nachteil?
    Ja und nein. Einerseits benehmen sie sich auf eine Weise, die man als Christ und Nichtjapaner nur bewundern kann: diese stoische Ruhe und Gelassenheit in schlimmsten Situationen. Aber ob sie in einer besseren Lage sind als die Christen, da würde ich sagen nein. Jesus selbst war kein Stoiker. Er hat gezittert am Ölberg, er hat geweint, er hat sich überschwänglich gefreut. Christen haben den nichtchristlichen Japanern etwas voraus: Vertrauen. Das ist zukunftsweisender als stoisches Aushalten. Und es weist über uns selbst hinaus auf den Größeren. So ist es für Christen möglich, die schlimmsten Dinge nicht nur resignativ hinzunehmen, sondern im Vertrauen anzunehmen.
    Wie steht es mit dem Wertekanon? Gibt es spezifische christliche Kriterien für eine Ethik der Wissenschaften, eine Ethik der Erkenntnis?
    Für einen Christen müssen Glaube und Vernunft zusammenkommen. Aber nicht nach Prinzipien des Utilitarismus – alles sei erlaubt, wenn es einem vermeintlich guten Zweck dient. Eine solche Position ist sowohl mit dem Glauben als auch mit der Vernunft unvereinbar. Die letzten 150 Jahre haben zu einer wachsenden Skepsis gegenüber der Fähigkeit der Vernunft geführt. Es gibt heute eigentlich nur einen Verteidiger der Vernunft: Das ist der christliche Glaube. Der heilige Thomas von Aquin sagt: Es gibt zwei Quellen der göttlichen Offenbarung über das, was zu tun und was nicht zu tun ist: Vernunft und Offenbarung. Der Apostel Paulus schreibt, dass das am Sinai offenbarte Gesetz im Grunde jedem Menschen, auch den Heiden, ins Herz geschrieben ist. Die Erkenntnis hat für den Menschen eine verpflichtende, bindende Kraft. Dazu allerdings muss man glauben, dass die Vernunft eine göttliche Wurzel hat.
    Der Philosoph Günther Anders hat geschrieben: »Nicht unser Verschwinden wäre ein Wunder, sondern unser Fortbestand.« Auch Sie haben mehrfach betont, dass unsere technische Zivilisation wohl nicht ewig bestehen könne. Das zeugt nicht gerade von einem Geschichtsoptimismus …
    Wir sind es gewohnt, in Kategorien des Fortschritts zu denken, vor allem des wissenschaftlichen Fortschritts. Wir erwarten, dass Wissen und technische Möglichkeiten sich dauernd vermehren werden. Davon leiten wir wie selbstverständlich ab, dass diese Zivilisation auf ewig existieren wird. Aber es gibt nicht den geringsten Grund für diese Annahme. Bisher sind noch alle Zivilisationen zugrunde gegangen. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass es mit unserer ebenso gehen wird.
    Die Bibel spricht klar davon, dass die Geschichte der Menschheit ihrem Ende entgegengeht.
    Und am Ende kommt nicht etwa das Reich Gottes, sondern der Antichrist. Das Reich Gottes kommt dann rettend in Form eines Einbruchs von außen.
    Bevor es aber so weit ist, heißt es etwa im Evangelium von Matthäus im 24. Kapitel, dass sich Naturkatastrophen ereignen werden. Hier ist die Rede von Hungersnöten, von Erdbeben.
    Ja, und vom Rauschen des Meeres und von Erschütterungen der Kräfte des Himmels.
    Sind diese Ereignisse der letzten Wochen und Jahre – wir hatten ja auch Tsunamis und schwere Erdbeben auf den Philippinen, auf Haiti und Chile – im Zusammenhang eines biblisch-endzeitlichen Kontextes zu deuten?
    Ich denke ja. Ohne
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