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Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut
Autoren: Andrew Kaufman
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klammerte sich am Türgriff fest. Wasser schlug gegen den Unterboden, als das Auto über ein Schlagloch fuhr und kurz nach vorn kippte. Wasser spritzte auf die Motorhaube, und der weiße Honda Civic soff ab.
    Aby drehte den Zündschlüssel mehrfach, aber der Motor wollte nicht wieder anspringen. Sie stieß die Fahrertür auf. Das Wasser strömte herein. Aby stieg aus und watete durch knietiefes Wasser. Sie watete um den weißen Honda Civic herum und schaffte es im dritten Anlauf, die Beifahrertür zu öffnen.
    »Komm«, sagte sie, »ab hier müssen wir wohl schwimmen.«
    Margaret antwortete nicht. Aby beugte sich hinein und sah, dass ihre Mutter bewusstlos und mit dem Rost bedeckt war. Das Orange hatte den Kragen und die Brust von Margarets Bluse befleckt und sammelte sich in ihrem Schoß. Es hing zwischen ihren Kiemen und tropfte in einem stetigen Rinnsal über ihre Schlüsselbeine.
    »Nein, Mama. Nicht jetzt«, sagte Aby.

Achtundvierzig
    Die Auflösung von Rebecca Reynolds
    Rebeccas nasses Haar klebte an ihren Wangen, und der Stoff ihrer Bluse klebte auf eine Weise an ihrem Körper, für die sie sich normalerweise geschämt hätte. Nachdem sie für unbestimmte Zeit herumgelaufen war, beschloss sie, auf einer Parkbank Platz zu nehmen. Damit traf sie die erste Entscheidung, seit Zimmer sie vor Stunden zu Hause abgesetzt hatte, und sie fühlte sich gut damit. Dann beschlichen sie Selbstzweifel, und sie fragte sich, ob es nicht doch besser wäre weiterzulaufen. Nein, sie würde sitzen bleiben. Nach einigen Minuten und noch mehr Regentropfen fing ihr Handy zu klingeln an.
    »Rebecca?«
    »Ja.«
    »Die haben mein Boot geklaut. Die haben mich in der Kajüte eingesperrt. Du musst mir helfen.«
    »Wer spricht da?«
    »Stewart!«
    »Findley?«
    »Hör mir einfach zu …«
    »Ich kenne dich. Eine sehr lange Zeit waren wir einander sehr wichtig. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, aber ich gebe mir die größte Mühe, es dich nicht wissen zu lassen.«
    »Rebecca, nimmst du wieder Medikamente?«
    »Nein.«

    »Was ist dann los?«
    »Ich verliere mich«, sagte Rebecca. Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, wusste sie, es war die Wahrheit.
    »Das wird schon wieder«, sagte Stewart. Da sie offenbar nichts für ihn tun konnte, konzentrierte er sich darauf, ihr zu helfen. »Wo bist du?«
    »Ich sitze auf einer Bank, im Park. Ich weiß nicht, wie er heißt.«
    »Wo?«
    »Neben der Kunstgalerie. Nein, dahinter.«
    »Bleib da. Beweg dich nicht. Bleib einfach da.«
    »Ich bin anscheinend gar nicht in der Lage, mich zu bewegen.«
    »Bleib einfach da sitzen. Ich werde Hilfe schicken.«
    »Stewart, liebst du mich?«
    »Das wird schon wieder.«
    »Liebst du mich? Du musst nicht ja sagen.«
    »Ja. Ich liebe dich. Immer noch.«
    »Oh.«
    »Ist das schlimm?«
    »Nein, ich glaube nicht«, sagte Rebecca. »Ich hatte mir von deiner Antwort bloß ein Gefühl erhofft.«
    Rebecca klappte ihr Handy zu. Sie blieb auf der Bank sitzen. Der Regen fiel immer stärker. Sie war als einzige Besucherin im Park übrig. Sie wusste, der Regen konnte ihr nichts anhaben. Sie fühlte sich unverwundbar. Sie fühlte den Regen auf ihrer Haut, und dann fühlte sie ihn plötzlich nicht mehr. Sie betrachtete ihren Arm und sah, dass der Regen nicht länger darauf-, sondern hindurchfiel. Sie war dabei, sich aufzulösen.

Neunundvierzig
    Durchweichte Erleuchtung
    Obwohl Lewis es nicht wissen konnte, war es kurz vor 20 Uhr, als er die Füße auf den Teppichboden stellte, aufstand und den Raum durchquerte, ohne genau zu wissen, warum. Obwohl er überzeugt war, dass sie sich immer noch in der Suite aufhielt, empfand er sie nicht länger als Bedrohung. Als seine Finger eine Mauer berührten anstatt Glas, tastete er sich an der Wand entlang bis zum Fensterrahmen. Als er vor dem Fenster stand, wusste Lewis nicht mehr, ob und wie es sich öffnen ließ. Er ließ seine Finger über das Holz gleiten und fand ein Schloss, nicht oben, sondern unten am Schieberahmen. Lewis entriegelte das Fenster und öffnete es. Er steckte den Kopf hinaus und wurde vom Regen überrascht.
    Nach so vielen Stunden ohne Farben und Formen, ohne Musik und Stimmen, während der seine Welt sich auf das Gefühl der Bettdecke und die Ränder des Kingsize-Betts beschränkt hatte, fühlte sich der Regen auf seinem Gesicht überwältigend an. Lewis rollte seine Hemdsärmel auf. Er zog den Kopf ins Zimmer zurück, zog das Hemd aus, ließ es zu Boden fallen und streckte seinen nackten Oberkörper nach
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