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Nach Diktat verblichen

Nach Diktat verblichen

Titel: Nach Diktat verblichen
Autoren: A. A. Fair
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ein eigenes Kind haben. An dem Lösegeld lag ihr gar nicht soviel. Doch sie mußte ein Lösegeld verlangen, um die Polizei auf die falsche Spur zu lenken. Außerdem kann man Geld immer gebrauchen.«
    »Na schön, nehmen wir mal an, Ihre Theorie trifft zu«, meinte Evans. »Wie geht die Geschichte weiter?«
    »Die gesamte Presse berichtete über den Fall. Jeder machte sich Sorgen um das Kind. Jetzt versetzen Sie sich einmal in die Lage der Frau mit dem Mutterkomplex, die das Kind entführt hat und behalten will. Was würde sie tun?«
    »Sie haben die Antwort darauf bestimmt schon parat«, versetzte Evans. »Spannen Sie mich nicht auf die Folter.«
    »Wenn eine Frau urplötzlich ein sechs Monate altes Kind hätte«, sagte ich, »würden sich die Nachbarn bestimmt wundern. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden würden die ersten Briefe beim FBI eintreffen. Jede Frau, die mit einem kleinen Kind in einer neuen Gegend auftaucht, wird von den Nachbarn eingehend begutachtet. Aber hier haben wir Minerva Fisher, die die Sache auf die einzig richtige Art anpackt. Sie beschließt, ein Kind zu entführen. Sie weiß noch nicht, was für ein Kind sie entführen wird, doch sie hält die Augen offen und legt sich auf die Lauer, bis sie das Kind bekommt, das sie haben will. Sie beginnt mit ihren Vorbereitungen. Zunächst erzählt sie ihren Freunden und Nachbarn von der armen Stiefschwester und ihren Sorgen. Die Stiefschwester hat ihren Mann verloren; sie leidet selbst an einer unheilbaren Krankheit. Nachdem Minerva Nachbarn und Freunden genug von dem traurigen Los der Stiefschwester erzählt hat, geschieht das Unvermeidliche: Sie fährt zu ihrer Beerdigung. Niemand will sich um das verwaiste kleine Mädchen kümmern. Deshalb nimmt Minerva es bei sich auf. Damit ist alles erklärt. Minerva ist eine mütterliche, hilfsbereite Frau. Sie brächte es nicht übers Herz, ein armes, mutterloses Kind im Stich zu lassen. Minerva hat auch eine Erklärung für das Geld parat: Ihre Stiefschwester hat ihr ein kleines Vermögen hinterlassen. Auf diese Weise kam Minerva zu dem Geld. Sie sind Polizeibeamter, Sie müßten sich doch mit der Abwicklung von Erbschaftsangelegenheiten auskennen. Wie lange dauert es, einen Nachlaß aufzulösen? Angenommen, Ihre Schwester stirbt und hinterläßt Ihnen ein Grundstück. Wie lange dauert es, das Grundstück schätzen zu lassen, die rechtlichen Fragen zu klären und das Grundstück schließlich zu verkaufen und das Bargeld in die Hand zu bekommen? Ziemlich lange. Und doch brauchte Minerva nur für kurze Zeit wegzufahren, erledigte die Nachlaßangelegenheiten in kürzester Zeit und kam mit Bargeld zurück. Nicht mit einem Scheck!«
    Evans kauerte jetzt auf dem Rand seines Sessels und starrte mich unverwandt an.
    »Und was hat Cadott mit der Sache zu tun?« fragte er.
    »Cadott kam rein zufällig ins Spiel«, antwortete ich. »Er erbte von seinem Großvater. Vielleicht verhalf tatsächlich jemand dem alten Mann in ein frühes Grab, vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall steht fest, daß George Cadott fest glaubte, Caroline hätte den alten Mann umgebracht und er hätte sie dazu ermutigt. Daraufhin entwickelte sich bei ihm ein Schuldkomplex. Er wurde zum Weltverbesserer. Barclay Fisher nahm an einer Tagung teil. Carl Jensen wollte mit ihm ins Geschäft kommen. Jensen wußte, wie man die Leute auf solchen Tagungen behandeln mußte, er ließ mehrere hundert Dollar für Sekt und hübsche Mädchen springen. Lois machte diese Art des Geldverdienens Spaß. Ihr gefiel die Atmosphäre, sie konnte essen und trinken, soviel sie wollte, und wurde dafür noch bezahlt. Der gute Barclay Fisher war allerdings ganz und gar nicht ihr Typ. Der arme Mann hält seine Frau noch immer für das wunderbarste Geschöpf der Welt. Im Bett vielleicht ein wenig kalt, in Gesellschaft vielleicht ein wenig selbstgerecht, aber eine gute Köchin und ein Vorbild für die Nachbarschaft. Barclay hat natürlich keine Ahnung, wie die Dinge wirklich liegen. Er ist viel zu harmlos, um sich so etwas zusammenreimen zu können. Und da gerät er in dieses Dreiecksspiel. Cadott schreibt Minerva Barclay einen Brief, in dem er ihr mitteilt, daß er sich ans Gericht wenden wird, um feststellen zu lassen, ob Barclay Fisher die moralische Reife besitzt, um an einem minderjährigen Kind Vaterstelle zu vertreten. Sie sehen gewiß ein, daß Mrs. Barclay das verhindern mußte. Wenn die Sache vor ein Vormundschaftsgericht gekommen wäre, hätte das automatisch genaue
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