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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer
Autoren: Maggie Stiefvater
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ihren Gedanken woanders. Sie hatte absolut nichts gemeinsam mit den
    Müttern meiner Freundinnen, die Schürzen trugen, kochten und staubsaugten - perfekte Hausfrauen eben. Eigentlich fand ich das auch ganz in Ordnung so. Und trotzdem - wie sollte ich jetzt noch mit meinen Hausaufgaben fertig werden?
    »Dank dir, Schatz. Ich bin dann im Atelier.« Wenn Mom eine von diesen Puppen gewesen wäre, die fünf oder sechs verschiedene Sätze sagen konnten, wenn man ihnen auf den Bauch drückte, dann wäre dieser Satz auf jeden Fall dabei gewesen.
    »Kipp nicht um von all den Dämpfen«, rief ich ihr noch nach, aber sie rannte schon die Treppe hinauf. Ich kratzte die verstümmelten Pilze in eine Schüssel und sah auf die Uhr, die an der hellgelben Küchenwand hing. Dad würde erst in einer Stunde nach Hause kommen. Ich konnte mir mit dem Abendessen also Zeit lassen und danach vielleicht sogar noch einen Blick auf meinen Wolf erhaschen.
    Im Kühlschrank fand ich ein Stück Rindfleisch, das es wahrscheinlich zu den geschredderten Champignons geben sollte. Ich nahm es heraus und ließ es auf die Arbeitsplatte klatschen. In den Nachrichten im Hintergrund fragte sich inzwischen ein »Experte«, ob die Wolfspopulation in Minnesota reduziert oder umgesiedelt werden sollte. Das alles machte mir ziemlich schlechte Laune.
    Das Telefon klingelte. »Hallo?«
    »Hey. Wie geht's dir?«
    Rachel. Ich war so froh, sie zu hören. Sie war das genaue Gegenteil meiner Mutter - bestens organisiert und eine geborene Macherin. Schon fühlte ich mich ein bisschen weniger wie eine Außerirdische. Ich klemmte mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter und schnitt nebenbei das Fleisch. Ein faustgroßes Stück legte ich für später zur Seite. »Ich mache grad Abendessen und gucke mir diese dämlichen Nachrichten an.«
    Sie wusste sofort, was ich meinte. »Ja, ich weiß. Total surreal, oder? Als könnten die einfach nicht genug bekommen. Ist doch langsam echt abartig - ich meine, wieso können sie nicht einfach damit aufhören und uns allein damit klarkommen lassen? Ist ja schon schlimm genug, in der Schule ständig davon zu hören. Und dann du und die Wölfe und so, das muss ja echt schlimm sein für dich. Und mal ehrlich, Jacks Eltern wollen wahrscheinlich einfach nur, dass diese Reporter den Mund halten.«
    Rachel redete so schnell, dass ich kaum mitkam. In der Mitte verpasste ich ein Stück, dann fragte sie: »Hat Olivia dich schon angerufen?«
    Olivia war die Dritte in unserem Trio und die Einzige, die meine Faszination für die Wölfe zumindest ein bisschen nachvollziehen konnte. Es verging kaum ein Abend, an dem ich nicht entweder mit ihr oder Rachel telefonierte. »Die ist wahrscheinlich noch draußen und macht Fotos«, sagte ich. »Sollte es heute Abend nicht einen Meteoritenschauer geben?«
    Olivia sah die Welt durch ihre Kamera; ich hatte das Gefühl, die Hälfte meiner Schulerinnerungen existierten hauptsächlich in 10 x 15, schwarz-weiß, glänzend.
    »Wahrscheinlich hast du recht«, erwiderte Rachel. »So eine heiße Asteroidenshow lässt Olivia sich bestimmt nicht entgehen. Hast du kurz Zeit zum Quatschen?«
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Ein bisschen, beim Abendessenmachen, danach muss ich wieder an die Hausaufgaben.«
    »Okay, nur ganz kurz dann. Zwei Wörter, Süße, was hältst du davon: ab hauen.«
    Ich fing an, das Fleisch anzubraten. »Das ist nur ein Wort, Rach.«
    Sie überlegte. »Stimmt. In meinem Kopf klang das irgendwie besser. Egal, pass auf: Meine Eltern haben gesagt, dass ich in den Weihnachtsferien wegfahren darf, wenn ich will - und sie bezahlen! Und ob ich will! Mann, alles ist besser als Mercy Falls! Wollt ihr morgen nach der Schule nicht zu mir kommen, Olivia und du, und mir helfen, was auszusuchen?«
    »Klar.«
    »Wenn wir was Cooles finden, könnt ihr zwei ja vielleicht mitkommen«, schlug Rachel vor.
    Ich zögerte. Das Wort Weihnachten weckte in mir sofort Erinnerungen an den Duft unseres Weihnachtsbaums, den sternenübersäten Dezemberhimmel über unserem Garten und meinen Wolf, der mich aus dem schneebedeckten Dickicht am Waldrand mit den Augen verfolgte.
    Rachel stöhnte. »Krieg jetzt bloß nicht wieder diesen Ich-starre-verträumt-in-die-Ferne-Blick, Grace! Ich kenn dich doch! Du kannst mir nicht erzählen, dass du hier nicht auch mal rauswillst!«
    Irgendwie wollte ich das aber wirklich nicht. Irgendwie musste ich einfach hierbleiben. »Ich hab doch überhaupt nicht Nein gesagt«, protestierte
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