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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer
Autoren: Maggie Stiefvater
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Beifahrersitz meines neuen Autos, eines kleinen Mazdas, der nach Teppichreiniger und Einsamkeit roch. Sie trug zwei von meinen Sweatshirts und eine Wollmütze, aber sie zitterte trotzdem, die Arme um den Körper geschlungen. »Wenn es ihm gut ginge, hätte Isabel uns angerufen.«
    »Kann sein«, entgegnete ich. »Aber Isabel ist ja auch nicht die Mitteilsamste.« Und doch wurde ich den Verdacht nicht los, dass sie recht hatte. Dies war Tag drei, und das letzte Mal, dass wir etwas von Isabel gehört hatten, war vor acht Stunden gewesen.
    Tag eins: Jack hatte rasende Kopfschmerzen und einen steifen Nacken.
    Tag zwei: Kopfschmerzen schlimmer. Fieber.
    Tag drei: Isabels Mailbox.
    Ich lenkte den Mazda Becks Auffahrt hinauf und parkte ihn hinter Isabels riesigem Geländewagen. »Bereit?«
    Olivia sah zwar nicht so aus, aber sie stieg aus dem Wagen und schoss zur Haustür. Ich folgte ihr ins Haus und schloss die Tür hinter uns. »Isabel?«
    »Hier drinnen.«
    Wir folgten dem Klang ihrer Stimme in eines der Schlafzimmer im Erdgeschoss. Es war ein Zimmer in fröhlichem Gelb, das nicht so
    recht zu dem verstörenden Geruch nach Krankheit passte, von dem es erfüllt war.
    Isabel saß im Schneidersitz auf einem Stuhl am Fußende des Bettes. Unter den Augen hatte sie tiefe Ringe wie purpurne Daumenabdrücke.
    Ich reichte ihr den Kaffee, den wir mitgebracht hatten. »Warum hast du uns nicht angerufen?«
    Isabel sah mich an. »Seine Finger sterben ab.«
    Ich hatte es bisher vermieden, ihn anzusehen, jetzt aber tat ich es. Er lag auf dem Bett, zusammengerollt wie ein halb fertiger Schmetterling. Seine Fingerspitzen hatten einen beunruhigenden Blauton angenommen. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, die Augen waren geschlossen. Mir wurde die Kehle eng.
    »Ich hab im Internet recherchiert«, sagte Isabel. Sie hielt ihr Handy hoch, als beantworte das alle Fragen. »Er hat Kopfschmerzen, weil seine Hirnhaut entzündet ist. Die Finger und Zehen sind blau, weil das Gehirn dem Körper nicht mehr befiehlt, Blut hineinzupumpen. Ich habe sein Fieber gemessen. Vierzigeinhalb.«
    »Ich glaube, ich muss mich übergeben«, sagte Olivia.
    Sie ließ mich mit Isabel und Jack allein.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wenn Sam nur da gewesen wäre, er hätte die richtigen Worte gefunden. »Tut mir leid.«
    Isabel zuckte mit den Schultern, ihr Blick war teilnahmslos. »Es hat so funktioniert, wie es sollte. Am ersten Tag hätte er sich fast in einen Wolf verwandelt, als nachts die Temperaturen sanken. Das war das letzte Mal, obwohl gestern Nacht der Strom ausgefallen ist. Ich dachte, es funktioniert alles. Er hat sich nicht mehr verwandelt, seit das Fieber angefangen hat.« Sie machte eine kleine Geste in Richtung des Bettes. »Hast du mich in der Schule entschuldigt?«
    »Ja.«
    »Super.«
    Ich bedeutete ihr, mir zu folgen. Sie stand von ihrem Stuhl auf, als koste sie das enorme Anstrengung, und ging hinter mir her in den Flur.
    Ich lehnte die Schlafzimmertür an, sodass Jack nicht hören konnte, was wir sagten, wenn er überhaupt zuhörte. »Wir müssen ihn endlich ins Krankenhaus bringen, Isabel«, flüsterte ich.
    Isabel lachte - ein seltsamer, hässlicher Laut. »Und was sollen wir dehnen da erzählen? Jack ist offiziell tot. Glaubst du, ich hätte darüber noch nicht nachgedacht? Selbst wenn wir uns einen falschen Namen für ihn ausdenken, sein Gesicht war doch zwei Monate lang in allen Nachrichten.«
    »Dann müssen wir uns eben irgendwas ausdenken. Uns wird schon eine passende Geschichte einfallen. Ich meine, wir müssen es doch wenigstens versuchen, oder?«
    Aus ihren rot geränderten Augen sah sie mich eine Weile an. Als sie dann endlich etwas sagte, klang ihre Stimme hohl. »Glaubst du, ich will, das er stirbt? Glaubst du, ich will ihn nicht auch retten? Es ist zu spät, Grace! Diese Art von Meningitis überlebt keiner so leicht, selbst wenn sie von Anfang an behandelt wird. Aber jetzt, nach drei Tagen? Ich hab noch nicht mal Schmerzmittel, die ich ihm geben könnte, ganz zu schweigen von irgendwas, was ihn retten würde. Ich dachte, der Wolf in ihm würde ihn retten, so wie es damals bei dir war, aber er hat keine Chance. Keine Chance.« Ich nahm ihr den Kaffee aus der Hand. »Wir können nicht einfach zusehen, wie er stirbt. Wir bringen ihn in ein Krankenhaus, wo sie ihn nicht gleich erkennen. Wenn es sein muss, fahren wir mit ihm nach Duluth. Da erkennen sie ihn nicht, zumindest nicht sofort, und bis dahin wird uns wohl irgendwas
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