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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende
Autoren: Alden Bell
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Endstation.
    Seufzend wirft sie einen Blick über die felsige Untiefe und das weite Festland in der Ferne.
    Was hast du hier überhaupt verloren, Fleischsack? Hat dir der Wind den Geruch von Mädchenblut in die Nase geblasen? Hast dringend was gebraucht, was? Ich weiß, dass du nich hergeschwommen bist. Bist ja viel zu langsam und blöd dafür.
    In seiner Kehle gurgelt es, und eine blaue Krabbe platzt aus dem sandverkrusteten Ende seiner Luftröhre und huscht davon.
    Weißt du was? Ich glaub, du hast versucht, über die Felsen zu klettern. Und dann haben dich die Wellen erwischt und dich so richtig durchgeprügelt. Ja, das glaub ich. Was sagst du dazu?
    Er hat den unter sich begrabenen Arm befreit und streckt ihn nach ihr aus. Aber seine Finger greifen viel zu kurz und scharren Furchen in den Sand.
    Also, sagt sie, gestern Nacht hättest du hier sein müssen. Der Mond war so groß, den hättest du fast vom Himmel pflücken können. Und die Fische, ganz elektrisch sind sie mir alle um die Füße gesaust. Der reine Wahnsinn, Mister. Wenn das kein Wunder war, dann weiß ich auch nich.
    Sie betrachtet das rollende Auge und den schaudernden Oberkörper.
    Vielleicht interessierst du dich nich so für Wunder. Trotzdem sollte man ein Wunder wertschätzen können, auch wenn man es nich verdient. Wir sind doch alle der Schönheit der Welt verbunden, auch die Schlechten unter uns. Die Schlechten sogar ganz besonders.
    Sie seufzt tief und lang.
    Egal, ich glaub, dir reicht’s jetzt schon von meinem Gelaber. Hör dir das nur an, ich schnable hier für zwei. Schnabeln – verstehst du?
    Sie amüsiert sich über ihren Witz, doch ihr Lachen verstummt, als sie aufsteht und sich den Sand von den Händen wischt. Wieder schaut sie übers Wasser zum Festland. Dann geht sie zu einer Palmengruppe und stapft mit den Füßen im grasigen Gestrüpp herum, bis sie gefunden hat, was sie sucht. Ein Stein, größer als ein Football. Sie braucht eine halbe Stunde, um mit einem Stock darum herumzugraben und ihn aus der Erde zu holen. Die Natur mag es nicht, wenn an ihr herumgepfuscht wird.
    Dann schleppt sie den Stein hinunter zum Strand, wo der Mann fast reglos daliegt.
    Als er sie bemerkt, wird er munter und fängt wieder an zu zucken und beben und gurgeln.
    Jedenfalls, erzählt sie ihm, bist du der Erste, der es hierhergeschafft hat. Und das zählt schon. Da bist du irgendwie wie Christoph Columbus oder so. Aber bei dieser Ebbe, da wette ich, dass noch mehr von deiner Sorte kommen. Ich wette mit dir, dass deine Schabenfreunde schon alle unterwegs sind. Die Wette würd ich bestimmt nich verlieren.
    Sie nickt und wendet sich erneut der Untiefe zu.
    Also dann.
    Mühsam hebt sie den Stein hoch über den Kopf und lässt ihn mit einem feuchten Knirschen auf sein Gesicht niedersausen.
    Die Arme zappeln noch, aber sie weiß schon, dass das manchmal hinterher eine Zeit lang so ist. Sie wuchtet den Stein erneut hoch und schlägt noch zweimal zu, um ganz sicher zu sein.
    Dann lässt sie den Brocken liegen wie einen Grabstein und läuft hinunter zu ihrem Fischnetz. Sie findet einen mittelgroßen Fisch darin und trägt ihn zurück zum Leuchtturm, wo sie ihn über dem Feuer brät und mit Salz und Pfeffer isst.
    Dann steigt sie die Stufen zur Spitze hoch und tritt auf die Galerie, um hinüber zum fernen Festland zu spähen.
    Sie kniet sich hin und legt das Kinn auf das kalte Metallgeländer.
    Schätze, es is wieder mal Zeit, dass ich weiterziehe.

2
    A m Abend holt sie beim Feuerschein die Sachen aus dem Kellerloch, die sie gleich nach ihrer Ankunft dort verstaut hat. Die Kühlbox, die Feldflasche, die Pistole mit zwei funktionstauglichen Patronen darin. Später nimmt sie das Gurkhamesser und den Taschenstein mit hinunter zum Strand. Sie setzt sich hin und schleift mit weit ausholenden, glatten Strichen die Klinge. Sie lässt sich Zeit damit und hockt fast eine Stunde unter dem Mond, bis sie die Schärfe der Klinge mit der Zunge schmecken kann. Ein gutes Messer, dreißig Zentimeter lang, nach innen gebogen. Es sirrt, wenn sie es durch die Luft zischen lässt.
    In der Nacht schläft sie fest und tief, doch noch vor der Dämmerung wacht sie auf und sammelt ihre Sachen zusammen.
    Sie steckt das Messer und die Pistole, die Feldflasche und ihren Panamhut in die Kühlbox und schleppt sie zum Strand. Dann geht sie zurück zum Leuchtturm, um sich zu verabschieden.
    Es ist immer schlimm, das eigene Heim zu verlassen, und hier ist es ihr wirklich gutgegangen. Am Fuß
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