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Nach all diesen Jahren

Nach all diesen Jahren

Titel: Nach all diesen Jahren
Autoren: Cathy Williams
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Kopf, aber er sah sie nicht an. Hinter seiner verschlossenen Miene, der Art, wie er stolz und trotzig das Kinn reckte, konnte sie deutlich den kleinen Jungen sehen, der er einst gewesen war. Der um nichts in der Welt gezeigt hätte, wie einsam und unglücklich er sich fühlte, der gelernt hatte, dicke Mauern um seine Gefühle zu errichten.
    Sarah legte ihm die Hand auf den Arm. Er zuckte zusammen, zog ihn jedoch nicht zurück. Sie wertete dies als gutes Zeichen.
    „Ich habe dir doch gegeben, was du wolltest. Zumindest dachte ich das. Gefällt dir das Haus denn nicht?“, stieß er hervor.
    „Selbstverständlich gefällt es mir. Es ist fantastisch. Das weißt du doch. Das habe ich dir doch wieder und wieder versichert.“
    „Weißt du, ich habe so etwas noch nie getan. Noch nie habe ich persönlich etwas für einen anderen Menschen ausgesucht. Aber diesmal war es mir wichtig.“
    „Ich weiß. Du würdest alles für Oliver tun.“
    „Oliver wird sich wohl kaum für Küchenmöbel interessieren.“
    „Was willst du damit sagen?“
    „Was ich damit sagen will? Das musst du doch wissen!“ Er wandte ihr das Gesicht zu, und sie sah den Schmerz in seinen Augen. „Ich wollte so sehr, dass du mich heiratest. Sicher, anfangs habe ich mir eingeredet, aus Vernunftgründen. Aber nach und nach wurde mir klar, dass die Freiheit, die ich bisher so heftig verteidigt habe, letztlich bedeutungslos ist.“
    „Ich will dich doch nicht unglücklich machen“, sagte Sarah ruhig. „Sicher, damals in Afrika habe ich mir gewünscht, wir würden für immer zusammenbleiben. Du warst der Mann meiner Träume! Und als du mich dann verlassen hast, brach eine Welt für mich zusammen.“
    „Ich habe eben so gehandelt, wie ich es damals als das Beste empfand. Für uns beide.“
    „Ich glaube, jetzt kann ich dich verstehen.“
    „Kannst du das wirklich? Wenn ich dich und deine Familie sehe, wie liebevoll ihr miteinander umgeht, wird mir klar, wie hart es für dich gewesen sein muss, im Stich gelassen zu werden. Du bist so behütet aufgewachsen, in dem Bewusstsein, geliebt zu werden. Ich hingegen kenne beides nicht. Ich habe mir nie erlaubt, Gefühle für einen anderen Menschen zu entwickeln. Aber mit Oliver ist das anders. Er ist mein Fleisch und Blut. Er sollte jedoch die Ausnahme bleiben – immer noch habe ich an meiner Überzeugung festgehalten, es wäre zu gefährlich, jemanden an mich heranzulassen.“
    „Ich weiß, Raoul. Deshalb ist es ja so schlimm für mich. Ich wusste, wie es dir ging. Was ich nicht wusste: Wird es mir jemals gelingen, diese Mauer zu durchbrechen?“ Sarah seufzte und löste ihren Blick von seinem Gesicht. Sie blickte zu dem wolkenlosen Himmel, wo der Mond sein blaues Licht verströmte. „Aber weißt du: Du bist nicht der Einzige, der Angst davor hat, verletzt zu werden.“
    Raoul öffnete den Mund, um gegen die Unterstellung, er habe Angst, zu protestieren, aber kein Laut kam über seine Lippen.
    „Schrecklich, wie sehr du mich durchschaust“, sagte er schließlich.
    In seinem Ton schwang jedoch ein Anflug von Humor mit, und Sarah fühlte sich ermutigt fortzufahren.
    „Ich habe dich jahrelang in die Schublade gesteckt: ‚der Typ, der mir das Herz gebrochen hat‘. Und als wir uns dann wiederbegegnet sind, wollte ich daran festhalten. Natürlich hätte ich dir nie die Existenz deines Kindes vorenthalten – ich hatte vor, es dir zu sagen, aber trotzdem meine innere Distanz zu bewahren. Aber ich musste feststellen, dass ich dich immer noch so sehr wollte.
    „Und warum hast du das nicht einfach gesagt?“, fragte Raoul heiser. „Mein Gott, Sarah, du hast mich schier wahnsinnig gemacht vor Verlangen. Ich habe doch gespürt, dass du mit mir schlafen wolltest, aber du hast versucht, dagegen anzukämpfen. Jedes Mal, wenn ich dich ansah, war mir, als gäbe es die fünf Jahre dazwischen gar nicht. Ohne dass es mir bewusst gewesen war, bist du mir schon damals unter die Haut gegangen.“ Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. „Dich zu bitten, meine Frau zu werden, war ein wichtiger Schritt für mich.“
    „Aber du hast gesagt, es sei, weil du mich ‚aus dem System‘ bekommen wolltest.“
    „Wenn es nur darum gegangen wäre, hätte ich dich nicht gebeten, mich zu heiraten. Und es wäre mir auch gleichgültig gewesen, ob du irgendwann einen anderen Partner gehabt hättest.“
    „Du hast befürchtet, Oliver zu verlieren.“
    „Tief im Innern wusste ich doch, dass das nicht passieren würde. Du hättest das
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