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Mythor - 087 - Der Hexenhain

Mythor - 087 - Der Hexenhain

Titel: Mythor - 087 - Der Hexenhain
Autoren: Wolf Paul
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Scheu vor uns hatten.
    Ich stellte mich ihnen drohend entgegen und stieß einen langgezogenen Schrei aus. Doch zu meiner Verwunderung erzielte ich diesmal keine Wirkung damit. Vilge erging es genau so. Den Grund dafür erfuhr ich gleich darauf.
    »Tertish!« rief Vilge zornig. »Was ist nur in dich gefahren!«
    Ich drehte mich um, als ich Kampfgeräusche hinter mir hörte und sah, daß Burras Amazone ihr Schwert gezogen hatte und die Klinge mit den Angreifern kreuzte.
    Tertish war sofort von einem ganzen Dutzend der verlotterten Gestalten umringt, so daß sie bald keinen Raum mehr hatte, um mit dem Schwert auszuholen. Sie verschwand unter einem Berg von Weibern, die sie mit bloßen Händen zu Boden rangen.
    Ich wollte Tertish zu Hilfe eilen, doch da landete ein Körper auf meinem Rücken und riß mich durch die Wucht des Aufpralls zu Boden. Noch ehe ich Zeit zur Gegenwehr fand, waren drei weitere der verwilderten Kriegerinnen auf mir, so daß ich völlig bewegungsunfähig war.
    »Ergebt euch!« erklang da Vilges erstickte Stimme. »Es hat keinen Zweck mehr. Wir müssen Kilas Einladung annehmen.«
    »Hast du den Befehl deiner Herrin gehört, Männchen?« sagte eine der Kriegerinnen, die einen Helm von der Form eines Totenkopfes trug. »Vielleicht kommt sogar dir die Ehre zu, Kila von ihren Lebensqualen zu befreien. Sei also artig und kommt mit in die Burg.«
    Sie gaben mich frei und ließen mich auf die Beine kommen. Aber sie blieben dicht bei mir und achteten darauf, daß ich meinem Schwert nicht zu nahe kam. Seltsamerweise entwaffneten sie mich aber nicht. Sie drängten mich nur mit bloßen Händen vor sich her in die gewünschte Richtung.
    Tertish und Vilge erging es nicht anders, nur daß sie jede ein ganzes Dutzend der seltsamen Kriegerinnen anzogen.
    Ich hörte Tertish sagen:
    »Also sei es. Wenn Kila zu feige ist, ihre Todessehnsucht selbst zu stillen, dann werde ich ihre Henkerin sein - so zuwider mir das auch ist.«
    Die Kriegerinnen heulten begeistert auf, und einige machten lautstark das Recht geltend, nach Kila an die Reihe zu kommen. Da wurde mir langsam klar, daß es sich bei Kila und ihren Kriegerinnen um Frauen handelte, die im Leben nicht froh werden konnten und Todessehnsucht hatten, es aber auch nicht schafften, aus diesem Leben auszuscheiden. Darum wurde Kila »Halbherz« genannt.
    Ich fragte mich, woher eine solche Sehnsucht nach dem Tode kam, ohne mir aber eine Antwort geben zu können. Es stellte sich heraus, daß auch Tertish den wahren Grund nicht kannte. Nur Vilge war in das Geheimnis eingeweiht, und sie spottete ganz offen über Tertishs Unwissenheit, als sie der Amazone zurief:
    »Ich bezweifle, daß du es zuwege bringst, Kilas Henkerin zu sein, wenn du erst den Grund für ihre Lebensflucht kennst.«

2.
    Ich bin eine Ehrlose.
    Mein Mal ist wieder aufgebrochen und blutet. Das Blut erinnert mich daran, daß ich ein Versprechen gegeben habe und nicht einlöste.
    Ich kann mit dieser Schande nicht leben, und doch muß ich es, weil ich keinen Weg sehe, der von dieser Welt führt. Ich bin zum Leben und Leiden verdammt.
    Etwas ist in mir bereits gestorben, aber es sind nur der Mut und die Kraft, die ich brauchte, um mich selbst zu richten. Wie oft habe ich es versucht, mich ins Schwert zu stürzen oder in eine Schlucht. Doch stets bleibe ich auf halbem Weg zur Tat stehen. Ich kann alles nur halb tun, darum nennen sie mich Halbherz.
    Und während meine wichtigsten Tugenden in mir abgestorben sind, ist etwas anderes in mir erwacht. Dies ist eine verhängnisvolle Gabe, eine magische Fähigkeit geradezu, die andere, die in meinen Dunstkreis gelangen, zu mir in den Abgrund zieht, in diese ewige Dämmerung zwischen Nacht und Tag, Tod und Leben, Wert und Unwert…
    Ich kann mir selbst längst nicht mehr in die Augen sehen, darum gibt es in meinen Räumen keine Spiegel mehr. Meinen Palast, so düster er ist, verlasse ich kaum mehr.
    Die Pflanzenranken, die die Mauern meiner Burg hinaufklettern, sind so verkümmert wie alles um mich, wie der einst so stolze Wald - ich habe die Bäume auf dem Gewissen, sie sind durch mich verkrüppelt. So wie die Kriegerinnen, die von meinen Leiden erfuhren und auszogen, mich davon zu befreien. Sie suchten mich voll Entschlossenheit auf, waren bereit, mich den Weg zu führen, den ich allein nicht gehen kann. Aber kaum traten sie vor mich hin, da griff diese verhängnisvolle Kraft, die in mir groß geworden ist, auf sie über, ließ sie zaudern und wankelmütig werden,
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