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Mythor - 043 - Am Kreuzweg der Lichtwelt

Mythor - 043 - Am Kreuzweg der Lichtwelt

Titel: Mythor - 043 - Am Kreuzweg der Lichtwelt
Autoren: Werner K. Giesa
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sah, dass No-Ango unruhig wurde. Einmal fuhr der junge Rafher mit der Hand zu seiner linken Gesichtshälfte. Bedauerte er, dass er sie nicht bemalt hatte? Spürte er etwas? Aber Mythor fragte ihn nicht. Möglicherweise würde er ohnehin keine Antwort erhalten.
    Die Stille, die über dem Anwesen lag, war geradezu unheimlich. Doch niemand fiel über sie her. Niemand griff sie an. Plötzlich stockte Mythors Schritt. Er war vorangegangen, bog weiträumig um die Hausecke. Und da sah er einen Mann liegen, dessen Rücken blutig war. Unwillkürlich glitt Mythors Hand zum Schwertgriff. Aber auch jetzt rührte sich nichts.
    Die anderen standen jetzt neben ihm. Schweigend starrten sie auf die Leiche.
    Da ging Mythor zu dem auf dem Bauch liegenden Toten. Der Sohn des Kometen kniete neben ihm nieder. Seine Finger berührten die Wunde. Das Blut war bereits verhärtet. Der Mord konnte schon eine Stunde alt sein. Und es war ein Mord gewesen. Ein Schwertstoß musste den Mann getroffen haben.
    Als Mythor ihn auf den Rücken drehte, sah er in das Gesicht eines Alten, das von Entsetzen und Todesangst verzerrt war. Der Alte musste seinen Mörder gesehen haben und vor ihm geflohen sein. Dennoch hatte ihn sein Schicksal ereilt.
    Die Eingangstür stand offen. Plötzlich huschte Sadagar an Mythor vorbei. In der Hand hielt er eines seiner zwölf geschliffenen Messer. Blitzschnell und vorsichtig glitt er in die Hütte. Doch nichts geschah. Es gab keinen Angriff eines Fallenstellers. Mythor folgte ihm.
    »Hier liegt noch einer«, sagte Sadagar. Es war ein ebenfalls alter Mann. Ihn hatte der Schwertstoß in die Brust getötet.
    Aus dem kleinen Raum gingen Türen in vier andere Zimmer, die ebenfalls nicht allzu groß sein konnten. Die Türen waren nicht verschlossen, sondern bestanden aus bodenlangen Fellvorhängen. Der Rafher war jetzt auch eingetreten. Nacheinander riss er die Vorhänge auf und sah in die Zimmer. Drei waren leer. Aus ihrer Einrichtung ging hervor, dass sie Schlafräume waren.
    Im vierten Raum befand sich jemand.
    »Ein Stummer Großer!« schrie No-Ango auf. Mit einem Satz war Mythor bei ihm und sah ihm über die Schulter.
    Er erstarrte. Es gab keinen Zweifel, dass der Stumme Große tot war.
    »Das ist Wahnsinn!« flüsterte Sadagar. Seine Hand umklammerte Mythors Oberarm. Mit einer müden Geste streifte Mythor Sadagars Hand ab und ging auf das Lager zu, auf dem der Stumme Große lag. Er war fast nackt, und das wenige, was er trug, umschlotterte ihn lose. Sein Gesichtsschutz lag irgendwo, und seine Augen waren weit aufgerissen.
    Das war noch nicht alles. Er war geschrumpft. Er war nur noch ein faltiges, kleines Etwas, vertrocknet und mumifiziert. Als Mythor ihn anhob, war er federleicht.
    Mythor legte den Toten auf das Lager zurück. Langsam drehte er sich zu seinen Gefährten um. »Die Todesreiter«, sagte er dumpf. »Drudins Todesreiter müssen hiergewesen sein.«
    »Bist du sicher?« fragte Sadagar schrill.
    »Ich nehme es an«, sagte Mythor. »Denn auch sie hinterlassen zuweilen… so etwas.« Er presste es förmlich hervor. Wieder wandte er sich dem Geschrumpften zu, dessen Händen die Daumen fehlten.
    Der Stumme Große musste einen entsetzlichen Tod erlitten haben. Mythor rann es eiskalt über den Rücken, als er an Drudins Todesreiter dachte. Fast hätten sie ihn ermordet. Sie hatten ihn schon in ihren Klauen, doch der Stumme Große Vierfaust hatte es verhindern können, dass sie ihn zurück nach Caer brachten. Mythor und seine Begleiter waren auf eine Lichtfähre geschafft worden und damit noch einmal davongekommen.
    Oburus, Coerl O’Marn und Krade, die drei Todesreiter, setzten alles daran, diese Scharte auszuwetzen. Krude, den Mythor einmal verraten hatte, O’Marn, der ihn in der Ebene der Krieger vor Drudins Dämonenkuss bewahrt hatte, und Oburus, der den Splitter vom Meteorstein besaß, der Mythor zu lähmen vermochte.
    Sie waren nach wie vor auf seiner Spur, und sie würden ihn jagen, bis sie ihn hatten – oder sie selbst vom Tod ereilt wurden.
    »Wenn sie hier waren, bedeutet das, dass sie uns voraus sind und dass sie genau wissen, welchen Weg wir nehmen«, sagte Sadagar. »Aber warum sind sie dann nicht hier? Warum haben sie uns keine Falle gestellt? Die Gelegenheit wäre günstig, jetzt blitzschnell von außen Türen und Fenster zu verrammeln und uns die Bude über dem Kopf anzuzünden…« Unwillkürlich sah No-Ango zur Tür.
    Mythor lächelte bitter. »Wer weiß, was sie hier wollten«, sagte er.
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