Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythor - 037 - Der Koloss von Tillorn

Mythor - 037 - Der Koloss von Tillorn

Titel: Mythor - 037 - Der Koloss von Tillorn
Autoren: Peter Terrid
Vom Netzwerk:
vielen Tropfsteinen. Seltsame Lichtspiele zuckten in der Grotte durcheinander, und es war nicht zu erkennen, woher das flackernde Licht kam.
    »Hier kann man leben?« fragte Lerreigen.
    »Eben… eben…«, äffte das Echo seine Worte nach. Der Leoniter zuckte unwillkürlich zusammen, begriff dann aber.
    »Vermutlich«, sagte Mythor halblaut.
    Nichts verriet, wohin sie sich nun wenden sollten. Ein Weg war nicht zu erkennen, aber Mythor zweifelte nicht daran, dass es einstweilen einfach geradeaus ging, und er setzte sich in Bewegung.
    Es tropfte leise von der Decke herab. Seit unzähligen Jahren war das ewig sickernde Wasser am Werk. Seltsame, skurrile Gestalten hatte es geformt, zum Teil gebildet aus dem Kalk, der in dem Wasser gelöst war, zum Teil gleichsam aus dem Boden geschnitten durch die höhlende Wirkung der fallenden Tropfen. Oder hatte auch hier die Schwarze Magie nachgeholfen?
    Fast schien es so. Die Gestalten, die Mythor und Lerreigen entgegengafften, waren erstaunlich lebensecht. Man konnte glauben, eine Meute blutgieriger Bestien, damit beauftragt, diese Grotten zu bewachen, sei langsam versteinert, von weißem Kalk überzogen worden. Gierige Mäuler waren zu erkennen, weit aufgerissen, mit gefährlichen Zahnreihen. Wie gefrorene Tentakel hingen lange Zapfen von der Decke herab. Pranken, krallenbewehrt und geschuppt, ragten in die Luft, als wären sie nach den Vorbeigehenden ausgestreckt.
    Das unsichere, flackernde Licht trug seinen Teil dazu bei, den beklemmenden Eindruck noch zu verstärken, der von der schaurigen Umgebung hervorgerufen wurde.
    Sie bewegten sich nur langsam. Hinter jedem steinernen Pfeiler konnte eine Gefahr hocken, und dabei dachte Mythor nicht nur an jählings hervorspringende Kämpfer, sondern vielmehr an weitere geheimnisvolle und bedrohliche Strahlen.
    »Sieh nur!« flüsterte Lerreigen.
    Mythor blickte auf den Boden, auf die Stelle, wohin Lerreigen mit der Hand deutete. Eine Waffe lag dort, ein Dolch.
    Mythor nahm die Waffe auf. Sie war nass von dem herabtropfenden Wasser, aber sie zeigte keinerlei Kalkspuren oder Rostflecken auf der Schneide.
    »Die Waffe liegt erst seit kurzem hier«, stellte Mythor fest. Er lächelte und steckte den Dolch in den Gürtel. »Ich weiß auch, wer sie getragen hat… Steinmann Sadagar benutzt solche Dolche.«
    »Dann muss er hier irgendwo stecken!« rief Lerreigen aus. »Wir wollen ihn suchen!«
    Immer tiefer drangen die beiden Männer in die geheimnisvolle Unterwelt vor. Längst hatte Mythor die Orientierung verloren. Wo waren sie? Unter welcher der Lichtsplitterinseln lag der Gang, den sie durchschritten? Hatten sie vielleicht das Tal des Kolosses unterirdisch schon durchquert?
    Stundenlang – so schien es den beiden jedenfalls -durchwanderten sie eine fast schweigende, feuchtkalte Welt, ein Arsenal des Grauens, das von einem Augenblick zum anderen erstarrt zu sein schien. Seltsame, bedrohliche Kräfte mussten sich in diesen Höhlen bekämpft haben. Einmal sah Mythor unmittelbar neben einer Bestienfratze ein menschliches Antlitz, ein Frauengesicht, das lächelte. Es war kein größerer Gegensatz denkbar als dieses Paar, das nur einige wenige Schritte voneinander entfernt war und weiß im Licht einer Öllampe glänzte.
    Immer wieder sahen die beiden sich um. Langsam erkannten sie, dass die Grotten nicht so gefährlich waren, wie sie aussahen – es gab Hinweise und Anzeichen, dass die Schreckensbilder der Einbildungskraft der Besucher entsprangen, weniger dem Eingreifen magischer Kräfte. Mythor konnte einige besonders scheußliche Fratzen sehen, die roh und unfertig geblieben waren, grotesk verzerrt und verzogen.
    Die beiden Männer fröstelten. Das Wasser, das von oben rieselte, war nicht nur kalkhaltig. Es war auch kalt, und es gab keinerlei Schutz vor diesem leisen Regen.
    »Wenn man hier unten einen seiner Feinde einfach liegen lässt, ist man ihn früher oder später ein für allemal los«, sagte Lerreigen. »Ich stelle mir das schrecklich vor - dazustehen, sich nicht rühren zu können und langsam von dieser kalten Feuchtigkeit versteinert zu werden.«
    Mythor lächelte zurückhaltend. »Ich glaube, so ein Vorgang wird ein paar Jahrtausende in Anspruch nehmen«, sagte er.
    »Jahrtausende«, wiederholte Lerreigen, der Mühe hatte, sich solch einen Zeitraum vorzustellen. Die meisten Bewohner der Welt zählten mit den Fingern; was über Finger und Zehen hinausging, war ein großer Haufen. Kriegserfahrene Könige und Fürsten brachten es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher