Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythor - 036 - Die Inseln der Verfemten

Mythor - 036 - Die Inseln der Verfemten

Titel: Mythor - 036 - Die Inseln der Verfemten
Autoren: Peter Terrid
Vom Netzwerk:
ans sichere Land.«
    Der Erzähler machte eine dramatische Pause, die nur von einem leisen Seufzer seines Gegenübers unterbrochen wurde.
    »Und dann stand der Kerl vor mir. Seemagier hat er sich genannt, und eine Maske hat er getragen. Er kenne jedes Riff in der Strudelsee, hat er behauptet; er allein könne unser Schiff sicher nach Sarphand bringen. Und was hat er getan, der abgefeimte Hund, der niederträchtige Schurke, was hat er getan, kaum dass er mit einigen Freunden an Bord gekommen war? Die Rudersklaven hat er aufgewiegelt, meine Leute abspenstig gemacht… Ich habe geschrien und ihnen den grässlichsten Tod angedroht, wenn sie dem Maskenmann folgen sollten. Geholfen hat es nichts. Sie sind gegen die Strömung gerudert, ohne sich um meine Befehle zu kümmern. Elendes Sklavengesindel, keiner taugt etwas. Und das mir, der ich eine Seele bin von einem Menschen. Freundlich, umgänglich, großzügig -keiner wird es wagen, das zu bestreiten.«
    »Sehr wahr«, ergänzte der andere Sprecher.
    Mythor versuchte sich die beiden vorzustellen. Der zweite Sprecher, der Wortkarge, schien ein großer, kraftvoller Mann zu sein; die Stimme verriet Selbstbeherrschung. Vermutlich war der Mann nicht mehr der Jüngste. Mythor schätzte ihn auf vierzig Jahre, vielleicht etwas mehr.
    Der andere, der Geschwätzige, von dem er auch den Namen wusste, weil er ihn immer wieder nannte, Garaschi aus Morautan, der König der Tabakhändler – ihn stellte sich Mythor eher klein vor, stämmig, aber sehr beweglich, auf den Beinen vielleicht ebenso behende wie mit der Zunge. Das Gesicht ein wenig rundlich, mit vollen Lippen und dem verschmitzten Lächeln eines Mannes, der das Leben zu genießen wusste. Der weinerliche Tonfall, den Garaschi ab und zu anschlug, schien Mythor aufgesetzt. Der Mann war ein hervorragender Schauspieler, und er benutzte offenbar diese Pause zu einer großen Darbietung.
    »Gemeutert haben sie, die Hunde«, jammerte Garaschi. »Die Ladung ist weg, das Gold ist weg, und die paar Getreuen, die sich auf meine Seite geschlagen hatten, Helden einer wie der andere, was für Männer… wo sind sie geblieben? Fortgeweht, verstreut, versprengt. Garaschi aus Morautan allein ist übriggeblieben, ganz allein. Was wird mein Weib sagen, wenn es davon hört, wie werden die Kinder seufzen und klagen und jammern und rufen: Unser Väterchen, der gute. Garaschi, er ist nicht mehr. Gemeuchelt ward er durch schnöden Verrat, elendiglich untergegangen ist der Gute in diesem Unterweltsgestrüpp der Lichtsplitterinseln, die in der Strudelsee versaufen sollen, eine nach der anderen, samt dem Gesindel, das sich hier herumtreibt.«
    Die Gemütslage des Händlers schien heftig zu schwanken.
    »Und du, was hast du jetzt vor? Was willst du tun, Mann mit dem roten Haar? Hier sitzen bleiben und Maulaffen feilhalten?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte der zweite ruhig. »Mir sind die Hände gebunden. Ich muss abwarten.«
    »Abwarten, wenn ich das schon höre. Abwarten! Etwas tun müssen wir, handeln, draufschlagen, niedermachen das ganze Gesindel. Ich will meine Ladung zurückhaben, hörst du? Einem Garaschi aus Morautan nimmt man nicht einfach die Ladung weg. Kämpfen werde ich, jawohl, nichts und niemand kann einem Mann wie mir Furcht…«
    Der Händler kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden. Der Verlockung, auf dieses Stichwort hin aufzutreten, hatte Mythor nicht widerstehen können.
    Ein Schritt genügte, ihn aus seiner Deckung zu bringen, und noch im gleichen Herzschlag sprang der kleine, dicke Händler mit unglaublicher Geschwindigkeit auf, stieß einen entsetzten Schrei aus und griff zur Waffe.
    Mythor hob die Hand zum Gruß.
    Er revidierte sein Urteil ein wenig. Garaschi, klein, mollig, schwarzhaarig und offenkundig ein Genießer alles Schönen, war keineswegs ein Hasenfuß. Er hatte sich stellen wollen.
    Der andere Mann war ein einziges Kraftbündel von außerordentlicher Größe. Das Gesicht war verschlossen, verriet ein wenig Trauer. Haare und der löwenmähnige Bart waren von starkem Rot; der Mann zählte schätzungsweise fünfzig Jahre. Er blickte zu Mythor hinauf.
    »Willkommen«, sagte der Rotbart.
    »Was soll das heißen, Fremder?« ereiferte sich Garaschi. »Ist das eine Art, sich einzuführen? In Gebüschen zu lauern und hervorzuspringen wie ein betrunkenes Karnickel?«
    »Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen«, sagte Mythor und streckte dem Händler die Hand entgegen. »Ich wollte den Mann kennenlernen, der sich rühmen kann,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher