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Mystic

Mystic

Titel: Mystic
Autoren: Mark T. Sullivan
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ekstatischen, gewalttätigen Zustand geraten, als Pater D’Angelo und seine Männer die Höhle stürmten. Im Verlauf des Handgemenges entwand Pater D’Angelo Joshua das Messer und stieß es ihm ins Herz. Und in dem Augenblick, als Joshua starb, war es, als höbe sich eine Nebelwand von den Gemütern seiner Anhänger, und sie erkannten das Entsetzliche, das sie getan hatten.
    Es wurde ihnen klar, wenn das, was in jener Nacht geschehen war, jemals ans Licht der Öffentlichkeit käme, dann würden die Stadt, die Kirche und alle Einwohner verflucht und geschmäht werden«, sagte McColl.
    Er blickte wieder zu Gallagher hinüber, genau in dem Moment, als ein weiterer Strang des Seils aufging. Andie rief ihm zu: »Und so beschlossen sie also, es zu vertuschen?«
    McColl nickte. »Was sollten sie sonst auch tun? Der Bürgermeister, ein berühmter Veteran des Bürgerkriegs, und eine Dame der besten Gesellschaft von Manhattan waren Drogenabhängige, fanatische Spiritisten und Menschenfresser geworden, die unter dem Einfluss eines Jahrmarkt-Messias Beihilfe zum Mord geleistet hatten. Der Polizeichef und fünf weitere Gemeindemitglieder waren zu einer Selbstschutztruppe geworden. Der Gemeindepriester war ein heißblütiger Mörder. Alle Anwesenden waren in die Morde an Joshua und der Squaw verwickelt. Also schleppten sie Joshuas Leiche den Berg hinunter und begruben sie im Kartoffelkeller unter ihrem Tempel«, fuhr McColl fort. »Alle schworen, dass sie zum Wohle aller den Mund halten würden. Einige der Anwesenden, darunter dein Ururgroßvater, Andie, waren dafür, die Squaw gemeinsam mit Joshua zu begraben und das Tagebuch zu verbrennen, zusammen mit den Sachen, die sie in der Ledertasche fanden, die sie trug – eine Pfeife, ein paar Steine, diese Haarlocke.
    Aber Pater D’Angelo wollte nichts davon wissen. Er begrub sie mit seinen eigenen Händen in geweihter Erde. Er sagte den anderen in jener Nacht, dass sie alle für ihren Tod verantwortlich seien. Und dass sie die Pflicht hätten, die Erinnerungsstücke an ihre Geschichte aufzubewahren, so dass, wenn die Wahrheit jemals enthüllt werden müsste, Joshuas Anhänger seine Schuld nicht würden leugnen können. Keiner wollte einer einzelnen Person das Tagebuch anvertrauen. Also wurde es geteilt.«
    »Und von Generation zu Generation weitergereicht«, sagte Andie. »Und jede neue Generation wusste immer weniger über das, was wirklich geschehen war.«
    McColl antwortete nicht. Er ließ die Haarlocke in einen der Beutel fallen und nahm dann Ten Trees’ Pfeife in die Hand, um sie mit Wohlgefallen zu betrachten. Hinter ihm rührte sich Danbys Hand unmerklich.
    Vier Stränge noch, dachte Gallagher. Wenn McColl nicht weitersprach, konnte er sich nicht weiter befreien. Er blickte zu Danby, um zu sehen, ob er sich wieder bewegte. Doch der Riese lag reglos da.
    Gallagher dachte an McColls Eingeständnis, dass er ein ebensolcher Sünder sei wie Pater D’Angelo, wahrscheinlich auch ein Mörder wie D’Angelo. Und er überlegte, weshalb der Priester das Tagebuch für sich selbst haben wollte. Und auf einmal begriff Gallagher. Dem Priester ging es nicht darum, eine Fassade aufrechtzuerhalten. Es ging ihm um Erlösung.
    »Pater D’Angelo mordete und tat dennoch Wunder«, sagte Gallagher. »Sie haben gesündigt und wollen die gleiche Fähigkeit erlangen.«
    Andie merkte, worauf Gallagher hinauswollte, und blies in das gleiche Horn. »Sie glauben, dass D’Angelo seine Kräfte irgendwie von Many Horses hatte, nicht wahr?«
    Die Nacht fiel herein. Neun der zwölf Kerzen waren erloschen. McColls Gesicht wurde undeutlich in dem schwindenden Licht.
    »Das glaubte jedenfalls Pater D’Angelo«, sagte er. »Es machte ihm zu schaffen, dass er die Fähigkeit zu heilen erlangte, nachdem er einen Mitmenschen getötet hatte. Er schrieb, die Sioux-Squaw suche ihn in seinen Träumen heim. Oft schrieb er: ›Wer gab mir die Kraft, Christus oder die Wilde?‹«
    Gallagher dachte an das leere Grab im Garten des Pfarrhauses. »Sie glauben, dass es die Squaw war, die sie ihm gab, nicht wahr, Monsignore?«, fragte er. »Sie sind wie Joshua Danby – Sie glauben, ihre Kraft steckt in ihren Knochen, ihrem Tagebuch, ihren Reliquien.«
    »Ich bin ein todkranker Mann«, erklärte McColl müde. »Zwei verschiedene Arten von Krebs. Weniger als zwanzig Monate, sagen die Ärzte. Und ich habe meine persönliche Beziehung zu Jesus vor vielen Jahren verloren. Doch Reliquien sind erwiesenermaßen ein Weg, die
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