Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus
Autoren: Lotte Kühn
Vom Netzwerk:
Telefonnummer weiter!« Anderen Eltern etwa, die sie dann mit Beschwerden, Nachfragen und allfälligem Schulfrust überhäufen könnten – spätabends, oder gar am Sonntag, jedenfalls zu Unzeiten. Und die sind weidlich ausgedehnt: Der frühe Nachmittag ist schlecht, denn manche Lehrer sind tatsächlich noch in der Schule, die Sekretärin hingegen, die den Anruf weiterleiten könnte, ist dann schon privat. Der späte Nachmittag ist auch schlecht, denn dann möchte sein, dass der Lehrer sich gerade auf dem Tennisplatz entspannt oder auf dem Sofa nickert. Der Abend ist ganz schlecht, denn dann spielt der Lehrer mit seinen Kindern, oder er ruht. Und alle, alle schwören, nachts mit Unterrichtsvorbereitungen beschäftigt zu sein. Also wann? Wann kann man in Deutschland einen Lehrer erreichen? Und wie, wenn man keine Telefonnummer hat, die Anschrift unbekannt ist und die E-Mail- Adresse gehütet wird wie das Rezept für Coca-Cola? Deshalb ist es auch leichter, die Handy-Nummer von Bruce Willis herauszufinden als die eines Lehrers am Gymnasium. Sucht man als Mutter das Gespräch mit einem Lehrer, fühlt man sich immer ein bisschen wie der Kassenpatient beim Modearzt. Daran ändern auch die halbjährlich stattfindenden Audienzen nichts – Elternsprechtage an Gymnasien sind Irrsinnsveranstaltungen, auf denen man sich in Listen an den Klassenzimmertüren eintragen muss, die merkwürdigerweise immer schon voll sind, obwohl sie angeblich Punkt achtzehn Uhr erst ausgehängt werden. Hat man trotzdem mal den Kampf mit anderen Eltern um ein Zeitfensterchen von zehn Minuten gewonnen und tatsächlich einen der begehrten Termine ergattert, heißt das nur, dass man es natürlich niemals schafft, auch nur die Hälfte der Unterrichtsbeamten wenigstens kurz sprechen zu können.
    Auch die Zettel, die man dem Kind bei Gesprächsbedarf mitgeben soll, verschwinden oft auf unerklärliche Weise und zuverlässig immer dann, wenn es sich bei den Gesprächswünschen um leidige Themen wie vergessene Hausaufgaben, verhauene Klausuren oder außerhalb der Schule verbrachte Unterrichtsstunden handelt.
    »Also ihr Sohn ist wirklich saumäßig schlecht in Deutsch. Mündlich beteiligt er sich überhaupt nicht und im Schriftlichen …«, die Lehrerin seufzt theatralisch, »da ist Hopfen und Malz verloren.« Wie vom Donner gerührt sitze ich da, das Telefon fällt mir fast aus der Hand. Deutsch mag er doch gerne, er liest Bücher am laufenden Meter und … »Das kann doch überhaupt nicht sein«, wende ich etwas schüchtern ein, und sofort reagiert sie patzig: »Na hören Sie mal, das werde ich doch wohl besser beurteilen können.« Jetzt holt sie Anlauf: »Er macht nur ausnahmsweise Hausaufgaben, stört den Unterricht und hat die letzten zwei Ar beiten total verhauen. Glatte Fünf und eine Sechs.« Ich fasse es nicht. »Deutsch ist sein Lieblingsfach. Da war er immer gut.« Die Lehrerin schweigt. Mir kommt ein böser Verdacht. »Wir sprechen von meinem Sohn?«, versuche ich es noch einmal. Nun wird sie ernstlich sauer. »Ja, von ihrem Sohn mit der blondierten Strähnchenfrisur.« Da muss ich kurz lachen – und jetzt ist es an mir, stinksauer zu werden. »Mein Sohn hat dunkle Locken, mittellang geschnitten, und ist einsachtundsiebzig lang. Der, den Sie meinen, ist sein Kumpel Florian.« Sie ist sprachlos. Dann berappelt sie sich schnell und pampt los. »Wissen Sie, ich habe drei Klassen und muss mir an die achtzig Namen einprägen. Da kann so was schon mal passieren.« Klar doch, das verstehe ich gut. Sie hat die Klasse ja auch erst seit anderthalb Jahren. Und ist es nicht ein bisschen viel verlangt, sich zu achtzig Namen die passenden Gesichter zu merken? Gut, dass wir mal darüber geredet haben.

Boy’s day
    »Nein, Mama, das kannst du echt nicht von mir verlangen!«, ruft mein Sohn und lässt panisch die Lider flattern, als ich ihm in beiläufig gurrender Freundlichkeit vorschlage, anlässlich des bevorstehenden Boy’s day, den sie in der Schule ausgerufen haben, doch mal in den Arbeitsalltag einer Friseurin, einer Kassiererin oder einer Hebamme hineinzuschnuppern. Wild schüttelt der Kerl den Kopf und stampft unter dem Tisch mit dem Fuß auf. »Das mache ich nicht!«, verkündet er kategorisch und betrachtet mich finster wie etwas, das sechs Beine hat und beim Abendessen durch die Butter kriecht. »Und das muss ich auch nicht, ich bin nämlich ein Mann.« Seine Schwestern kommentieren diese Neuigkeit hämisch, mit allfälliger, nicht zitierfähiger
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher