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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
Autoren: Laura Windmann
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niemals irgendeinem Opa Tomaszewsky zu seinem Nebenverdienst verhelfen würde!«
    Da ich all das schon mal gehört habe, weiß ich, dass sie mit ihrer Erzählung noch nicht am Ende ist, und warte erfreut auf die Pointe der Gammelwurst-Geschichte.
    »Deine Oma war aber auch nicht viel besser. Vielleicht sogar noch schlimmer.« Sie schüttelt den Kopf, als könne sie es immer noch nicht fassen. »Ich stand einmal mit ihr in der Küche und sagte ihr, dass das Wurstpaket abgelaufen sei und ich es lieber wegwerfen würde. Und weißt du, was sie mir entgegnete?«
    Ja, aber ich höre es gern noch einmal!
    »Oma zuckte einfach mit den Schultern und sagte: ›Dann gib es doch Kurt!‹«
    Da es für meine Großmutter völlig normal war, abgelaufene Wurst an den Gatten zu verfüttern, wundert es mich nicht, dass mein Opa von Zeit zu Zeit wegen einer Darmentzündung im Krankenhaus war.
    Ich denke mir: Wenn Liebe durch den Magen geht, tja, dann konnten sich die beiden wohl nicht sehr gut leiden. Und dann überlege ich, was ich meiner Familie besonders Schönes zum Abendessen auf den Tisch stellen kann.



42
»Du warst so süß, Laura!«
    J eder von uns hat oder hatte Eltern. Ab einem gewissen Alter beginnt man, sich für bestimmte Erlebnisse mit Muddi und Vati zu schämen.
    Egal, was Sie jetzt sagen – das ist wesentlich schlimmer, als sich fremdzuschämen, wenn der Nachbar in den Garten pinkelt und die Freundin, die gerade auf Ihrer Terrasse sitzt, dies zufällig beobachtet. Die eigene Familie steht Ihnen eben näher, weiß viel mehr über Sie und kann so auch größeren Schaden anrichten.
    Eine dieser vielen schambesetzten Situationen entsteht, wenn Muddi anderen Ihren abgekuschelten Teddybären zeigt und erzählt: »Sie hatte ihn so furchtbar lieb! Jedes Jahr trug sie ihn in ihrem roten Rucksack mit sich herum, wenn wir den Urlaub in Bad Reichenhall verbrachten und auf die Berge kletterten!« Eine andere ist, wenn Muddi Ihnen als erwachsener Frau das Haarband zurechtrücken will. Oder sie – wenn Fremde zuhören – zu Ihnen sagt: »Aber Kind! Du mochtest doch immer orange geblümte Rippenhemdchen!«
    An dem Donnerstag, von dem ich jetzt berichte, stehen meine Mutter und ich im Garten, nachdem ich den Wagen auf ihrem Hof geparkt habe.
    Auf einmal kommen Lorenzo und seine Mutter zur Pforte hinein. Der Kleine ist diesmal besonders redselig und plappert wild drauflos. Dabei schwenkt er seine beige Outdoorjacke, die er in den Händen hält, hin und her. Die Jacke sieht aus, als gehöre sie zur Bergsteigerausrüstung von Reinhold Messner. Sie hat eine dicke Kapuze und trägt den dunkelblauen Aufdruck Climb your mountain .
    Lorenzo hat jetzt einen modischen Kurzhaarschnitt. Er wird in ein paar Tagen eingeschult, und vor diesem großen Ereignis wollte er unbedingt zum Friseur gehen, berichtet uns seine Mutter.
    »Hallihallo, ich geh schon mal in dein Haus, ja?«
    Muddi zwinkert ihm zu.
    »Na klar, Lorenzo«, säuselt sie, und er rennt davon.
    Der Sohn ihrer Mieter darf bei Muddi fast alles. Sie ist ganz vernarrt in ihn. Und er hat seine Hallihallo lieb.
    Lorenzos Mama und ich sprechen ein wenig über die Einschulung, nachdem der Kleine im Haus meiner Mutter verschwunden ist.
    Man hört nichts von ihm, die Minuten vergehen. Nach einer Weile gehe ich nachsehen. Lorenzo kommt gerade aus der Kammer hinter Muddis Schlafzimmer, in dem sie seit dem Tod meines Vaters jedoch nicht mehr schläft. Sie zieht es immer noch vor, die Nächte im Wohnzimmer zu verbringen, vor dem Fernseher, auf der Couch. Ich versuche ihr das auch nicht auszureden, denn ich finde, sie sollte ganz allein entscheiden, wann sie das ehemalige Ehebett wieder benutzen möchte. Seit dem Tod meines Vaters braucht sie die Berieselung durch das Fernsehgerät.
    In dem kleinen Zimmer, aus dem Lorenzo gerade gekommen ist, befinden sich ein bemalter Schrank, eine kleine Couch im Chippendale-Stil, ein verzierter Eichentisch und ein antiker Stuhl. Auf der einen Seite zieren Spiegelkacheln eine Nische, die ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten ist. Vor rund sechzig Jahren befand sich in unserem Haus eine kleine Metzgerei, und die Nische diente dazu, an Haken aufgehängte Würste und Schinken zu präsentieren.
    Vom Eichentisch hat Lorenzo eine kleine Blechdose genommen, die mir äußerst vertraut ist. Er dreht sie in der Hand hin und her.
    »Was ist denn da drin?«, fragt mich das Kind mit leuchtenden Augen.
    Ich weiß es nur zu gut und überlege, wie ich der nun folgenden
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