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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
Autoren: Laura Windmann
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Offenbarung noch entkommen könnte.
    »Och, gar nichts, Lorenzo«, lüge ich.
    Der Gesichtsausdruck des Jungen macht mir auf der Stelle klar, dass dies die dümmste Antwort war, die ich ihm hätte geben können. Das Wort »nichts« macht ihn noch viel neugieriger.
    Und so kommt, was kommen muss: Lorenzo saust an mir vorbei nach draußen.
    »Hallihallo?«, ruft er meiner Mutter entgegen. »Was ist in der Dose?«
    Muddi nimmt Lorenzo das Döschen sanft ab – ihre Bewegungen erscheinen mir betont langsam, würdevoll. Dann öffnet sie den Deckel und nimmt einen kleinen Zettel heraus, der mit Kugelschreiber beschrieben ist. Außerdem prangen kleine Herzchen darauf. Zudem wurde das Zettelchen nach der Beschriftung mit einigen Streifen Tesafilm beklebt, um dem Papier eine gewisse Stabilität zu verleihen. Das hat man 1978 gern so gemacht.
    Nun liest meine Mutter vor, was auf dem Zettel steht, und Lorenzo und seine Mutter lauschen gespannt.
    »Winnetou, du wirst mein Mann sein. Ich werde dir alles geben und alles mit dir teilen. In ewiger Liebe, deine Ribanna!«
    Jetzt sehe ich, dass ich damals auf die Rückseite des mit Herzchen bemalten Zettels ein kleines Bildchen von Winnetou alias Pierre Brice geklebt hatte, das ich wahrscheinlich aus der TV Hören und Sehen ausgeschnitten habe, wie ich mich dunkel erinnere. Ich möchte am liebsten vor Scham im Boden versinken.
    Lorenzo sieht mich staunend, seine Mutter grinsend und Muddi liebevoll an.
    Ich lächele verzweifelt zurück.
    »Ach du Schande, ist mir das peinlich …!«, stammele ich.
    Meine Mutter aber gerät ins Schwärmen: »Laura, du brauchst dich für nichts zu schämen. Ich finde das so niedlich! Gott, was hattest du für eine schöne Kindheit! Das sind doch wundervolle Erinnerungen, Laura!«
    Ja, Muddi. Aber die möchte ich nicht mit Lorenzos Mutter teilen! Dann könnte ich ihr ja gleich erzählen, dass ich mit dreizehn Jahren mit meiner Freundin im Wald ein Duell mit ausziehbaren Kugelschreibern gefochten habe, die uns als Florette dienten – ich war Aramis und sie d’Artagnan … Und vielleicht sollte ich Lorenzos Mutter dann auch anvertrauen, dass meine Freundin und ich zwei alte Taschenrechner benutzten, um so zu tun, als hätten wir Walkie-Talkies. Wir waren beide beim CI 5 und arbeiteten als Polizisten in London. Ich hieß Bodie, sie Doyle. Unser Chef war George Cowley, der in der Serie Die Profis von keinem Geringeren als von Gordon Jackson gespielt wurde. Gordon Jackson spielte im Haus am Eaton Place den Butler James. Und wenn ich schon bei dem Thema bin: Da gibt es verdammt viele Dinge, die ich Lorenzos Mutter erzählen könnte – bevor Muddi es tut.
    Denn das wird sie, ob ich es will oder nicht. Ich denke, ich packe die orange geblümten Rippenhemdchen schon mal aus. Denn ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert. Danke, Muddi!



43
»Ich hätt gern eine Doggybag!«
    I ch liebe Muddi, aber manchmal könnte ich sie glatt anknurren. Ja, ich bin’s wieder, Krümel, der Mischlingsrüde von Laura.
    Jetzt schreibt mein Frauchen schon seit Monaten an diesem Buch und flucht manchmal über falsche Buchstabengrößen, Absatzformatierung oder Rechtschreibung. Um sie abzulenken, spiele ich ihr vor, dass ich Hunger habe. Das fällt mir nicht schwer, denn ich habe eigentlich immer Hunger. Frauchen geht dann tatsächlich in die Küche und holt mir etwas zu fressen. Und sie füllt neues Wasser in meinen Napf.
    Danach hat sie sich dann wieder so weit erholt, dass sie einigermaßen frisch an ihr Buch zurückgehen kann. Dann höre ich ihre Finger über die Tastatur huschen. Für ein, zwei Stunden ist sie ganz ruhig, bis sie irgendwann laut ausruft: »Fertig!«
    Anschließend scheint sie sehr erschöpft zu sein, denn sie geht sofort ins Bett. Und ich husche in mein Körbchen. Laura hat noch einmal mein Kissen aufgeschüttelt, den kleinen Stoffhund in die rechte, meinen knallroten Ball in die linke Ecke des Körbchens gestopft, und ich bin rundum zufrieden, weil ich solch ein fürsorgliches Frauchen habe.
    Muddi dagegen übertreibt es manchmal mit der liebevollen Zuwendung. Vor allem vergisst sie ständig, dass ich nicht schwerhörig bin. Dann fragt sie mich einige Male nacheinander: »Na, wo ist denn dein Ball, Krümel? Na, wo ist er denn? Such doch mal deinen schönen roten Ball!« Als hätte ich die Aufforderung zum Spielen nicht schon beim ersten Mal verstanden …
    Außerdem will sie immer kuscheln. Gestern saß ich einfach nur so vor dem Sofa. Nun
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