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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
Autoren: Laura Windmann
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vollautomatische Rasenmäher ist kaputt, und der Gärtner hat keine Zeit. Und mein Rasen ist dermaßen gewachsen. Der Garten verkommt zusehends. Ich kann das kaum mehr ertragen.«
    »Och Muddi«, versuche ich, locker zu bleiben, »du musst einfach darüber hinwegsehen. Wen interessiert es denn, ob dein Rasen zu hoch ist? Oder meinst du, der Postbote wird sich darüber aufregen, weil er sich durch die Grashalme bis zum Briefkasten schlagen muss?«
    »Laura, diesen ironischen Unterton kannst du dir sparen!«, sagt meine Mutter spitz.
    Der Gesprächsverlauf entwickelt sich ungünstig. Eine derart missgestimmte Muddi wird uns Philipps Tokioreise bestimmt schlechtmachen wollen. Also lenke ich besser ein.
    »Du hast ja recht, Muddi. Es wäre natürlich schön, wenn du dich auf den Gärtner verlassen könntest.« Und um das Ganze noch zu verstärken, sage ich: »Es ist furchtbar heutzutage. Auf niemanden ist mehr Verlass!«
    »Ja, Laura, wie schön, dass du mich verstehst!«
    Ja, nicht wahr!
    »Da wir gerade beim Verstehen sind … – ich muss dir noch was beichten.« Ich bin so nervös wie vor meinem ersten Rendezvous.
    »Ach Laura, so schlimm wird’s schon nicht sein. Ich halte doch zu dir, egal was passiert!«
    »Du weißt doch, dass es Philipps sehnlichster Wunsch ist, einmal in seinem Leben nach Tokio zu reisen«, beginne ich und rede sofort weiter – dann hab ich’s wenigstens hinter mir. »Muddi, am nächsten Wochenende fliegt er! Und er nimmt drei Freunde mit. Unter anderem Justus, der ist ja schon einundzwanzig.«
    So, jetzt ist es raus. Und ich habe gleich noch ein beruhigendes Argument hinterhergeschickt! Ein nach dem Gesetzesstand von 1960 Volljähriger reist mit, da kann doch gar nichts schiefgehen.
    »Oh Gott, jetzt ist mir ganz übel, Laura!«, sagt Muddi mit elender Stimme. »Gott, nein, wirklich? Ach Laura …!« Muddi stöhnt lange und laut. Dann sagt sie: »Ich werde die ganze Zeit nicht ein Auge zutun können, keine einzige Nacht, bis er wieder zu Hause ist.« Und sie legt noch mal nach: »Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie schlecht es mir gerade geht?«
    Fantastisch, Muddis Egozentrik. Wie es mir als Mutter von Philipp bei dem Gedanken geht, dass mein Sohn in einigen Tagen rund sechzehn Stunden mit dem Flugzeug unterwegs ist, ehe er den nächsten Flughafen erreicht, danach fragt sie nicht einmal.
    Nein, im Gegenteil.
    »Ihr lasst mich ja alle immer alleine«, beschwert sie sich weiter.
    »Wer? Ich?«
    »Ja, auch du wirst mich irgendwann verlassen. Du wanderst doch mit Laszlo aus, hast du gesagt. Und dann sitz ich hier, ohne Führerschein, ohne jemanden, mit dem ich mich unterhalten kann.«
    »Muddi, bis wir auswandern, werden noch ein paar Jährchen ins Land ziehen. Wenn es überhaupt klappt. Außerdem verlässt Philipp dich doch nicht, er verreist nur für drei Wochen!«
    »Ach, ihr lasst mich alle im Stich. Ich hab mir schon überlegt, was ich mache, wenn ihr mich alleine lasst. Ich werde in ein Seniorenstift gehen. Dann muss auch niemand mehr mit mir einkaufen fahren, weil ich dort das Essen fix und fertig gekocht serviert bekomme.«
    Eine lange Pause entsteht, weil ich nicht weiß, was ich noch sagen soll. Der Supergau ist da. Muddi befindet sich in der »Ihr-müsst-euch-mehr-um-mich-kümmern«-Phase. Und sie zieht alle Register.
    »Ich werde heute Abend schon mal meine Bettwäsche sortieren. Und meine Hüte. Die brauch ich dann ja auch nicht mehr. Wozu soll ich im Stift einen Hut tragen, Laura? Da gammeln die Alten breikauend ohne Gebiss herum. Und keine Sau interessiert es, ob ihnen die Spucke am Kinn herunterläuft, während sie ihre Pampe mümmeln.«
    Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu antworten: »Ja, Muddi, vielleicht wäre das eine gute Idee. Du hättest rund um die Uhr Gesellschaft. Und besuchen können wir dich ja auch dort immer noch.«
    Das reicht, um meine Mutter diesbezüglich verstummen zu lassen.
    Im weiteren Verlauf des Telefonats sprechen wir nicht mehr über den Umzug ins Seniorenstift. Ich sehe lediglich am Donnerstag vor Philipps Abflug drei Umzugskartons, die geöffnet im Schlafzimmer meiner Mutter stehen. Sie hat Bettwäsche und Hüte hineingelegt. Ich spreche sie nicht darauf an, und sie sagt auch nichts. Die Demonstration ihrer Entschlossenheit anhand halb gepackter Umzugskartons sagt mehr als tausend Worte.
    Am Freitag hole ich Muddi ab, damit sie Philipp vor der Abreise noch mal sieht.
    Er hat seine Reisetasche gepackt, seine drei Freunde und er sind bereit
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