Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muttersoehnchen

Muttersoehnchen

Titel: Muttersoehnchen
Autoren: Silke Fink
Vom Netzwerk:
irgendwann. Der biologische Sinn des Stehpinkelns war mir damals nicht bewusst. Nur im aufrechten Stand entleert sich die männliche Blase vollständig. Dass sich der Mann beim Pinkeln setzt, war aber ein sehr wichtiges Symbol gleichberechtigter Partnerschaft: Er erhebt sich nicht länger über sein geliebtes Weib, und er mutet ihr auch die gelben Spritzer nicht länger zu. Oder er vertraut seiner eigenen Trefferquote nicht und weiß, dass er zur Strafe selbst putzen muss. So setzen sich zu Hause alle einvernehmlich hin und behaupten, das sähe man ganz entspannt. Nur im Wald darf der Mann noch Mann sein. Und in der Kneipe, aber da kommt er ja kaum noch hin.
    Heute ist Maik innen wie außen verunsichert. In meiner Gegenwart zieht er die Schultern ein, aber er benutzt immer routinierter die Formeln, um mich zu beruhigen, die sein Vater schon lange verwendet. Dass er sehr vorsichtig mit dem Auto fährt (immer zu schnell) und dabei nicht trinkt (mehr als ein bisschen). Dass er nicht raucht (nur kifft) und dass er mit dem Taschengeld klarkommt (wenn Jannick ihm noch was leiht). Maik will auf keinen Fall eine offene Auseinandersetzung mit mir, meist ist er sogar dann noch höflich zu mir, wenn ich schon laut bin. Er behält sein freundliches Wesen und hasst Streit. Dafür liebe ich ihn und dafür lügt er. Er täuscht mich, um mich zu schonen, gar zu beschützen. Und er weiß, dass ich es weiß. Er denkt zweimal nach, bevor er gar nichts sagt oder sagt schließlich das, was ich hören möchte. In dieser Formalität sind wir zuhause. Maik ist kein Lügner im ursprünglichen Sinne, er spielt nur eine Rolle. Vielleicht
die einzig mögliche, um seine Hinterbühne zu erhalten? Mit seinen Schonlügen beweist er zweifelhaftes diplomatisches Geschick, und ich falle wie in Watte.

    An dem Streit zwischen Biologen und Soziologen, ob geschlechtsspezifische Eigenschaften angeboren sind oder erworben werden, beteilige ich mich nicht mehr. Mein genetisches Programm ist nicht zu blocken, aber es ist noch überlagert. Ich trage wieder gern Kleider und kann gut auf hohen Absätzen laufen, aber wer darin viel Liebreiz vermutet, täuscht sich. In meinem femininen Auftritt steckt eine lila Latzhose.
    Meine Vorstellungen von Frau und Mutter hatten sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Als Kind wollte ich einen Mann, der mich liebt. Später wollte ich noch, dass er mich versteht. Jetzt, da ich weiß, dass ich das meiste allein regeln kann, will ich zu ihm aufschauen können. Aber wie das genau aussehen soll, weiß ich auch nicht und führe solange einen pädagogischen Krieg über Kindererziehung, ohne Kriegserklärung an meinen Mann.

    »Sie müssen sich umstellen, Frau Frink. In Ihrem Alter wird man nicht mehr so schnell schwanger.« Dieser banale Satz meiner Frauenärztin trifft mich tief in der Seele und mitten in die Weiblichkeit. Ich bin mit meinen Tagen schon seit zwei Wochen überfällig. Das ist sehr ungewöhnlich, normalerweise kann man bei mir die Uhr danach stellen. Drei Schwangerschaftstests habe ich hinter mir. Der erste Teststreifen dürfte schon schadhaft die Fabrik verlassen haben, der zweite war bestimmt in der Apotheke falsch gelagert worden und den dritten hatte ich wohl nicht korrekt bedient. Ich muss doch schwanger sein! Meine Erleichterung verfliegt schneller, als sich die Sorgen aufgebaut hatten. Meine Ärztin zeigt routiniert Mitgefühl: »Ihr Hormonstatus zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit zur Schwangerschaft unter einem Prozent liegt. Nächste Woche kann das aber schon wieder anders aussehen. Mit Schwankungen müssen Sie jetzt eben rechnen.« Wovon redet diese Frau? Ihr Achselzucken macht die Sache auch nicht besser. Ich winsele: »Bitte prüfen Sie das noch mal!«

    Für überflüssige 24 Euro Testkosten muss ich mir nun eine Abhandlung über das Ende der Fruchtbarkeit anhören. Ich bin 47 Jahre alt. Dabei ist mir, als wäre ich erst vor ein paar Monaten niedergekommen, als hätte ich mich erst vorige Woche noch vollspucken lassen und gerade vorgestern mit der Kindergärtnerin gestritten. Wo ist meine Zeit geblieben? Ich will sie zurück. Und für immer Frau bleiben.
    Meine Frauenärztin hat dafür einen ganz heißen Tipp für mich. Sie empfiehlt mir die Hormonspirale. Die ist so sicher wie die Pille, nur viel schwächer dosiert. Als angenehmer Nebeneffekt wird die Regelblutung auch viel schwächer und bleibt oft sogar ganz aus: »Dann merken Sie gar nicht, wenn der Zyklus durch die bevorstehenden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher