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Muttersoehnchen

Muttersoehnchen

Titel: Muttersoehnchen
Autoren: Silke Fink
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eines Parkhauses herausfahren muss, weil ich das geschlossene Tor übersehen hatte.

    NACHWUCHS
    Zwei Wochen nach dem errechneten Termin wird unser Sohn Maik wird geboren.

    MÖBEL
    Wir kaufen drei neue Billy Regale, diesmal in weiß.

    WEIHNACHTEN
    Zum ersten Mal feiern wir Weihnachten ohne unsere Eltern.

TYPISCHES
MEIN ANDERTHALB RITTER ZU ENDE EMANZIPIERT

    So kann es nicht weitergehen. Unter der Dusche beschließe ich mehr Konsequenz bei der Erziehung meines Sohnes, auf den letzten Metern. Maik ist 19 und im letzten Schuljahr. Da geht hoffentlich noch was. In neun Monaten macht er das Abitur, wenn er denn zugelassen wird. Er darf kein Defizit mehr haben, so nennen die Lehrer Noten unter fünf Punkten, und keine unentschuldigte Fehlstunde. Das könnte knapp für ihn werden.
    Maik ist alt genug, um lange aufzubleiben. Maik kann Auto fahren. Maiks Hautbild hat sich beruhigt, und er muss sich rasieren. Warum ist die Pubertät nicht längst vorbei? So wie bei Lysa? Seine Schwester ist zwei Jahre jünger und die Erfinderin des vernünftigen Gedankens. Ihre Erinnerung an die Zeit, in der sie nur aus Knien und Ellenbogen zu bestehen schien, unberechenbar herumquengelte und viel Drama-Attitüde an den Tag legte, scheint ihr jetzt schon nur noch peinlich zu sein, und mir kommt es vor, als sei sie sehr kurz gewesen.
    Lysa wächst und gedeiht prächtig. 17 Jahr, blondes Haar. Sie steht jetzt schon ihren Mann. Sie hat Leistungskurs Mathe und im Nebenfach Informatik gewählt. Sie singt, und sie schaut Germany‘s Next Topmodel , ohne sich mit Träumen aufzuhalten. Auch ihr ist Styling sehr wichtig, aber es reichen fünf Minuten, und sie ist »Ready for Take off«. Klugheit und Schönheit sind für sie kein Widerspruch.
Sie verliebt sich, aber sie zerbricht nicht daran. Ein Junge muss ihr zur Seite stehen und niemals im Weg. So hatte es für uns den Anschein.
    Morgens um sieben findet Lysa die Welt in Ordnung, wenn ihr Bruder sie doch nur unter die Dusche und vor den Spiegel lassen würde. Er blockiert das Bad morgens länger als wir alle zusammen. Er trägt Unterhosen ohne Eingriff und die Jeans unterm Schritt. Er styled sich vor dem Fußballspiel, und hinterher duscht er in der Badehose. Wie alle anderen Jungs auch. Wella macht neuen Umsatz mit den Männern, Gillette mit den Frauen. Das ist kein Witz, das ist Realsatire. Maik schreibt Balladen und spielt Klavier. Das machen nicht alle. Derweil gerät mein Weltbild durcheinander. Ich kann den Zeitgeist nicht aus dem Haus vertreiben und frage mich ständig, was ich falsch gemacht habe, was wir falsch gemacht haben.
    Und wo wird die Reise noch hingehen? Meinen Mann habe ich in den Rückzug gedrängt, meinen Sohn habe ich verbogen und meine Tochter will alles anders machen. Ich selbst möchte von meiner eigenen Zukunft nichts mehr wissen, ich habe in den letzten zwei Jahrzehnten viel Zukunft gestaltet und jetzt den Traum von Mann und Familie ausgeträumt. Und unser Kater lebt auch nicht ewig. Im Alter werde ich einsam sein und dabei wollte ich nur alles richtig und vieles besser machen.
    Im Bad hat sich der Geruch von Maiks Aftershave schon etwas verzogen. Ich halte mit meinem Parfum dagegen. Die beiden Düfte vermischen sich zu einer undefinierbaren Wolke, die weder süß noch herb ist, und irgendwie entspricht das auch der Situation. Lange bevor Maik männlich zu riechen begann, war er schon sehr auf Pflege und Styling bedacht. Zum 16. Geburtstag hatte ihm mein Bruder Falk eine Männerkiste geschenkt: eine Flasche Bier und eine Dose Ravioli, eine Bohrmaschine und einen Spaten, Kondome und ein imageträchtiges Rasierwasser. Dazu eine kleine und eine große Packung Pflaster. Die kleine für die äußeren Verletzungen, die große symbolisch für den Seelenschmerz, den ihm die Frauen zufügen werden. Mit Bier und Rasierwasser kam Falk zu spät, beides war Maik schon vertraut; er trank regelmäßig und duftete sich routiniert ein. Er gelte sich bereits das Haar, rasierte
sich schon die Achseln und wer weiß, was sonst noch. Bohrmaschine und Spaten kamen rechtzeitig, sie konnten seinen Fisher Price Werkzeugkasten noch gut ersetzen.
    Wir sind keine Heimwerkerfamilie, von uns konnte Maik kaum etwas lernen. Was kaputt geht, bleibt erstmal so. Wir fluchen eine zeitlang und lassen irgendwann einen Handwerker kommen, der es repariert. Dann fluchen wir über die Rechnung, weil wir denken, dass wir es auch mal selbst hätten probieren können. Wenn das Rad einen Platten hat, fühlt sich
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