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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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Kittel anzuziehen und auf die Kunden zu warten – aber die ließen leider sehr auf sich warten. Elsie sprach Agnes Mut zu und ermahnte sie zur Geduld.
    »Stellen Sie sich vor, jemand erfindet eine gute Mausefalle: Die ganze Welt würde ihm die Bude einrennen, und was ist schon eine Mausefalle verglichen mit Ihren einzigartigen Hutkreationen, liebe Agnes.«
    Die Ehe mit dem seligen Mr. Trent hatte anscheinend Agnes' Selbstvertrauen tieferschüttert, denn sie seufzte nur: »Ganz abgesehen von meinen Hüten, die anscheinend niemand tragen will, haben wir nicht bedacht, daß zu viele Frauen zu selten Hüte tragen.«
    »Und dabei sind sie der letzte Schrei«, fügte Elsie resigniert hinzu. »Sie werden in jedem Modejournal angepriesen und uns direkt aufgedrängt. Hüte sind einfach ›in‹. Ist es nicht komisch, daß die Frauen gerade bei Hüten so bockig sind, während sie die Rocksäume, Taillen und Busen wie die Jo-Jos rauf und runter rutschen lassen?«
    Als die spärliche Kundenzahl fast auf Null zusammengeschrumpft war, meinte Agnes: »Vielleicht wären Mausefallen doch besser gewesen.«
    Elsie machte diesmal keine leichtfertigen Ausflüchte, aber ihr neuerworbener Geschäftssinn ließ ihr keine Ruhe. Es wäre geradezu töricht, sagte sie, das Grundkapital, das sie für die Miete und die Ausstattung des Ladens aufgewandt hätte, über Bord zu werfen, und es gelang ihr, Agnes neuen Mut einzuflößen: Aus dem Hutladen wurde ein Blumenladen, und Agnes' künstlerische Veranlagung fand ein neues Betätigungsfeld.
    »Mit Blumen kann nun wirklich nichts schiefgehen«, erklärte Elsie ihrer zaghaften, kurzsichtigen Familie, als diese sie warnte, ihr gutes Geld noch weiter aus dem Fenster rauszuschmeißen.
    Aber es ging schief. Die Kundschaft blieb aus, Elsies Kapital schrumpfte – weit mehr, als die Kinder ahnten –, und die arme Agnes wurde zweite Hausmutter in einem Heim für junge Mädchen.
    Der Himmel bezog sich. Elsie und Cucullan gingen zerknirscht zurück. Die Nachmittagspost war durch die Briefklappe gefallen und lag verstreut auf dem Boden der Vorhalle. Die mausgrauen Umschläge schienen ihr nichts Gutes zu verheißen, sie ließ sie liegen: Nur einen drehte sie um – er sah so vertraut aus wie ein lebenslanger Feind. Ja, sie hatte richtig geraten: Amtliche Zustellung. Sie ließ ihn wieder fallen. Warum sollte sie ihn auch öffnen? Nachdem sie monatelang froh und heiteren Sinnes die Steuerbehörde ignoriert hatte, war es jetzt zu spät, sich über Mahnungen aufzuregen. Sie würde noch früh genug für ihren Leichtsinn büßen müssen.
    Sie ging zum Wohnzimmerfenster und blickte auf den Wagen, der den armen Polizeiwachtmeister Stapleton niedergemäht hatte. Ein wenig von seinem ursprünglichen Glanz hatte er leider eingebüßt – nun, alle Autos bekommen hie und da mal einen Kratzer ab, aber bei diesem sah man alles besonders deutlich, weil ihm, wie James so treffend bemerkt hatte, der Unterlack fehlte … »Er ist aufs billigste herausgeputzt worden, Mutter, damit jemand … jemand wie du, Mutter, auf ihn hereinfällt.« Auch ließ sich nicht leugnen, daß er einige Dellen abbekommen hatte, aber das konnte jedem passieren, und eigentlich waren sie kaum der Rede wert. Der Zusammenstoß mit Polizeiwachtmeister Stapleton hatte zum Beispiel keine Spuren hinterlassen.
    Als ihr dieser unangenehme Zwischenfall wieder einfiel, bekam Elsie eine leichte Gänsehaut. Sie hatte eine kleine gemütliche Fahrt durch Richmond Park vorgehabt, zusammen mit Cucullan, der wie immer auf dem Vordersitz saß. Und gerade als sie über die Kreuzung fahren wollte, stoppte der Polizist die Wagen aus ihrer Richtung, und sie war – anstatt zu bremsen – zu ihrem größten Entsetzen auf den Polizisten losgeschossen, den sie umfallen sah, während sie mit knapper Not noch gerade an den entgegenkommenden Wagen vorbeiflitzte. Dann würgte sie den Motor ab. Als sie sich umdrehte, herrschte hinter ihr ein Chaos. Doch wenigstens rappelte sich der unglückliche Polizist wieder auf, äußerlich anscheinend unbeschädigt, aber in seinem Ehrgefühl tief verletzt, wie Elsie sofort feststellte, als sie reumütig aus dem Fenster zu ihm aufschaute.
    »Es ist mir schrecklich unangenehm«, sagte sie.
    »Und es wird noch viel unangenehmer für Sie werden«, schrie er sie wütend an.
    Cucullan neben ihr gab ein warnendes Knurren von sich. Elsie tätschelte ihm beruhigend den Kopf, während sie in ihrer Handtasche nach Führerschein und
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