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Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Titel: Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)
Autoren: Ulrich Schnabel
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ist es hilfreich, nicht ständig mit den Wünschen, Zielen und Werten anderer Menschen konfrontiert zu sein. Sonst sind wir stets abhängig von deren Wohlwollen. Mit anderen Worten: Wichtig ist auch in Resonanz mit sich selbst zu kommen. Oder, wie es der Philosoph Walter Benjamin ausdrückte: »Glück ist, zu sich selbst zurückzukommen und nicht zu erschrecken.«
    Wie aber vermeidet man das Erschrecken, wie geht man am besten mit dem Alleinsein und der Angst vor der Langeweile um? Die einfachste (und daher gängigste) Strategie lautet schlicht: sich ablenken. Deshalb sind Fernsehen und Internet so bequem. Selbst wenn die Inhalte dürftig sind, bringt das Geschehen auf dem Bildschirm eine gewisse Struktur in unser Denken. Die Filme, Informationen und selbst Werbespots stellen gleichsam einen Schutzwall gegen unliebsame Gedanken dar und halten damit all jene Sorgen in Schach, die sonst womöglich ins Bewusstsein dringen könnten.
     
    Dieses Unterdrücken der eigenen Sorgen ist allerdings etwas ganz anderes, als zu sich selbst zu finden und an den Ort zu gelangen, »an dem das Dasein spürbar wird«. Dafür braucht es erstens Zeit und zweitens eine gewisse Energie – und wenn es nur die Energie ist, den Ausknopf am Fernseher zu betätigen.
    Die zweite Strategie gegen die Langeweile lautet daher: das Nichts zu strukturieren. Mit anderen Worten: zu lernen, sich ohne die ständige Ablenkung durch Fernsehen oder Internet mit Dingen zu beschäftigen, die einen ausfüllen. Der Erste findet sein Glück vielleicht beim Mountainbiken, die Zweite beim Rosenzüchten, der Dritte, indem er den Eiffelturm aus Streichhölzern nachbaut. Letztlich geht es um die Kunst, unsere Aufmerksamkeit auch dann strukturieren zu können, wenn äußere Ziele, Anregungen und Herausforderungen einmal fehlen.
    Und dann gibt es da noch eine dritte Strategie, das Monster der Langeweile zu besiegen: die hohe Kunst des Nichtstuns. Statt sich abzulenken oder sich eine Beschäftigung zu suchen, kann man sich auch entschließen, die Leere zu akzeptieren und sie auszukosten. Wenn man davor nicht ständig flieht, dann kann sich nämlich die Langeweile »als Tor zu einer tieferen Schicht von Ruhe« herausstellen, wie es die Philosophin Natalie Knapp ausdrückt.
    Denn das Gefühl der Langeweile zeigt ja an, dass einem nichts begehrenswert, sondern alles fade und leer erscheint. Diese Ödnis ist letztlich ein Ausdruck dafür, dass man die Verbindung zu seinen eigenen Bedürfnissen verloren hat und im Moment nicht weiß, was einem wirklich wichtig ist. Wenn man dieser Empfindung nicht ausweicht, sondern ihr auf den Grund geht, kann eben jene Offenheit wieder entstehen, die so wesentlich für das Leben ist.
    Das erkannte übrigens schon der Philosoph Martin Heidegger, der so gründlich über Sein und Zeit nachdachte: Gerade die Langeweile und das ziellose Warten könnten uns der Erfahrung des Seins näherbringen. Denn, wie Heidegger formuliert: »Im Warten lassen wir das, worauf wir warten, offen.« 28 Ob das nun ein angenehmer oder unangenehmer Zustand sei, spiele dabei keine Rolle, kommentiert Natalie Knapp (die über Heidegger promovierte). Wichtig sei erst einmal, dass man den Bezug zur eigenen Lebendigkeit wiederherstelle. Alles andere ergebe sich dann.
    Auch das können wir übrigens von Kindern lernen. Schließlich langweilen auch sie sich hin und wieder. Als Erwachsener tendiert man dann häufig dazu, »Programm« zu machen. Doch oft ist das gar nicht nötig. Wenn das Umfeld stimmt, kommen gelangweilte Kinder meist nach wenigen Minuten selbst auf irgendeine Idee, die sie bald mit Feuereifer verfolgen. Bei uns Erwachsenen dauert es zwar in der Regel länger, bis sich ein ähnlich zündender Gedankenimpuls einstellt. Doch wenn es dann geschieht, ist diese Erfahrung umso schöner. Erproben Sie daher ruhig einmal die Langeweile. Denn ohne eine gewisse Form von Verwirrung entsteht meist auch nichts Neues.

VI
     
    WEGE DER VERÄNDERUNG
     
    E s wird Zeit, Bilanz zu ziehen. Übersetzen wir zum Schluss die vielfältigen Erkenntnisse und Einsichten der vergangenen Seiten nun in konkrete Handlungsanweisungen und in eine Strategie – in Ihre ganz persönliche Strategie, um genau zu sein.
    Denn nichts beflügelt uns mehr als Einfälle, die uns selbst gekommen sind, und Pläne, die wir selbst gemacht haben. Die klugen Ratschläge, die uns andere geben, erzeugen dagegen leicht das NIV-Syndrom (not invented here) : was wir nicht selbst erfunden haben, empfinden wir
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