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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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uns zurückerinnert, wie
unser Vater uns als Kinder in den Hafen von Yokohama mitgenommen hat. Mein
Bruder hat sich damals sehr für Schiffe interessiert, und oft haben dort
US-Zerstörer angelegt. Riesige Schiffe waren das, vielleicht sechzig Meter hoch
und so lang wie zwei oder drei Wohnblocks. Aber einmal, als wir hinkamen, lag
dort ein Zerstörer, der selbst halb zerstört war. Der ganze vordere Teil war
zerknautscht, wie ein Auto, das mit hoher Geschwindigkeit gegen einen
Telegrafenmast geprallt ist. Wie konnte das auf dem offenen Meer passiert sein?
Auf unsere Frage hieß es, das sei eine Welle gewesen - eine einzige Welle, die
aus dem Nichts kam, gegen den Bug gekracht ist und bis zur Brücke alles
zerschmettert und mehr Schaden angerichtet hat, als wenn alle Bordwaffen
gleichzeitig abgefeuert worden wären. Diese zerstörerischen Wellen werden
»Monsterwellen« genannt. Ich habe mich gefragt, ob es solche »Monsterwellen«
nicht auch in höheren Dimensionen gibt. Ob die elfte Dimension gar kein
friedlicher Ort ist, sondern ein Ort der Stürme, durch den ganze Universen
fegen wie riesige aufgewühlte Wogen. Stellen Sie sich die Katastrophe vor, wenn
eines dieser Monsterwellenuniversen mit einem anderen Universum kollidiert.
Nach meiner Überzeugung ist der Urknall das Resultat eines solchen Zusammenstoßes.
Zwei Membranen, zwei Universen krachen ineinander; die dabei freiwerdende
Energie ist der Urknall, der unser Universum hervorbringt. In diesem Modell
stellt sich das Problem der Singularität nicht mehr. Vielleicht kollidieren
ständig Universen und erzeugen eine unendliche Zahl von Urknallen.
     
     
    Ihr geht
Hand in Hand die Woodland Avenue hinunter. Über euch explodieren die Galaxien
wie Feuerwerk in Zeitlupe. Lori neben dir singt einen Bethani-Song, If
I had three wishes I would give away two, Cos
I only need one, cos I only want you, süß und zart wie ein Vogel. Ihr geht eine Straße entlang
und dann eine andere, eine, noch stiller und dunkler als die andere, die Häuser
hinter Mauern und Efeu versteckt. Du schweigst, hörst ihrem Gesang zu,
versuchst dir was zu überlegen, das sie davon abhalten könnte, nach Hause zu
gehen.
    Sag
mir mal eins, Daniel, fragt sie nach einer Weile. Warum sind Jungs solche
Arschlöcher?
    Du
denkst einen Moment nach. Ich weiß nicht, sagst du.
    Dich
mein ich nicht, du bist kein Arschloch.
    Danke,
sagst du.
    Nein,
wirklich nicht. Ich mein's ernst, sagt sie.
    An
einem hohen Bogentor bleibt ihr stehen. Durch das Gitter siehst du hinten
zwischen den Bäumen ein Licht. Hier wohne ich, sagt sie.
    Okay.
    Seh
ich okay aus?, fragt sie. Nicht wie ...?
    Du
siehst perfekt aus.
    Findest
du zurück?
    Klar.
    Okay.
Sie tippt einen Code in die Sprechanlage, und das Tor gleitet auf, um sie
einzulassen. Der Mond scheint, alles ist silbern, die Autos bewegen sich in der
Ferne über die Schnellstraße wie Atemzüge. Du hast keine Ahnung, wie du sie von
hier dorthin bringen kannst, wo du sie küsst; da ist eine Kluft, über die keine
Brücke führt. Dann, gute Nacht, sagt sie.
    Gute
Nacht, sagst du mit trockenem Mund. Die Kluft wird mit jeder Sekunde breiter,
und dein Herz sinkt tiefer hinab, als du langsam aus ihrem Zauber erwachst und
der Tatsache in Auge siehst, dass es vorbei ist, dass bald alles vorbei ist,
was war, ihre Hand in deiner, die Schaukeln im Park, die Doughnuts, das alles
wird Vergangenheit sein, und und dann küsst sie dich, ihre Arme sind um dich
geschlungen, ihr Mund ist weich und schmeckt nach Pfefferminz. Du bist so
perplex, dass du einen Moment brauchst, bis du daran denkst, sie
zurückzuküssen. Du legst die Arme um ihre Taille und drückst deine Lippen auf
ihre.
    Hast
du schon mal jemanden geküsst?, fragt sie.
    Ja,
sagst du, dabei hast du nur deine Mutter und diverse Tanten geküsst, und auch
ganz anders, aber das scheint egal zu sein, denn sie küsst dich wieder, ihre
Zungenspitze malt liegende Achten auf deine Zunge, und alles dreht sich in dir
und der ganze Himmel und das Universum mit, und als sie sich von dir löst,
schwimmt immer noch alles, und überall, wo du hinschaust, sind Sterne.
    Okay,
sagt sie wieder.
    Okay,
sagst du durch den Taumel und das Lächeln und die Sterne hindurch. So viele
Sterne, überall, wo du hinschaust! Sie kommen von ihr, das ist es, sie
schwärmen von ihr aus wie silberne Hornissen, so wie sie aus dem Nichts
geströmt sein müssen, als der Urknall knallte. Gute Nacht, Daniel, sagt Lori,
als sich die Torflügel wie Arme um sie
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