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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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sind unverwandt auf sie gerichtet, auf seiner
Stirn glänzt ein Schweißfilm.
    »Was ist?«, fragt Farley spitz.
»Ich weiß
nicht, wovon du hier schwafelst«, sagt Tom, »aber lass Jesus aus dem Spiel.«
    »Warum?«
    »Mach's einfach, darum. Zeig ein bisschen Respekt.«
    » Zeig ein
bisschen Respekt ist bloß eine andere Formulierung für Halt den Mund.«
    »Okay, halt den Mund.«
    »Seht ihr, genau das meine ich«, kontert Farley, auf den
nun sämtliche Blicke gerichtet sind. »Die ganze Zeit klopfen wir uns gegenseitig
auf die Schulter, was wir doch für eine tolle Schule sind, Tag für Tag
trichtern wir den Jungs im Unterricht den größten Stuss ein, aber kaum
versucht mal einer zu sagen, wie die Welt in Wirklichkeit tatsächlich ist,
schon heißt es, er soll den Mund halten und ein bisschen Respekt zeigen -«
    »Weißt du, wo dein Problem liegt, Farley?«, fragt Tom mit
erhobener Stimme.
»Nein, Tom«,
schnauzt Farley zurück, »wo liegt denn mein Problem? Klär mich auf.«
    »Dein Problem ist, dass du ein Nörgelfritze bist. Ein
typisch irischer dämlicher Nörgelfritze. Wo jeder halbwegs vernunftbegabte
Mensch ohne großes Trara sein Ding macht, so gut er kann, hüpfst du herum wie
ein aufgescheuchter Spatz, pickst und hackst auf allem und jedermanns Moral
herum, weil du kein Rückgrat hast und zu egoistisch bist, um den Versuch zu
machen, etwas zu ändern -«
    »Vollkommen richtig, Tom, du hast absolut recht, ich habe
kein Rückgrat, ich bin ein rückgratloser, selbstsüchtiger, nutzloser Mensch,
und ich mache nicht mal den Versuch eines Versuchs, etwas zu ändern, aber weißt
du was, das Gleiche gilt für dich und für alle anderen in diesem Scheißladen,
über das blanke Minimum hinaus kümmern wir uns nur um uns selbst und unseresgleichen,
weil wir wissen, dass sich sonst am Ende tatsächlich noch etwas ändern könnte

    »Lass gut sein«, sagt Howard zu ihm und wendet sich, als
keine Reaktion erfolgt, an Tom. »Er hat eine Menge getrunken.«
»Verpiss dich,
Fallon, du bist noch schlimmer als er.«
    »Ja, es könnte sich etwas ändern«, wiederholt Farley und
steht nun mit ausgebreiteten Armen aufrecht da. »Am Ende müssen wir noch Fremde in unser kleines Baumhaus aufnehmen. Arme! Ausländer! Wie
fändest du das, Tom? Lauter Flüchtlinge und Abschaum, an deiner kostbaren
Schule, wie fändest du das?«
    »Immerhin besser als Schwuchteln wie dich«, gibt Tom
zurück.
    »Jungs, bitte«, fleht Miss McSorley.
    »Aha, ich bin also eine Schwuchtel?«, fragt Farley.
    »Jetzt kommt schon, Leute«, schaltet Slattery sich ein.
»Es ist weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt für so was.«
    »Ich würde sagen, die Schwuchtel bist du«, sagt Farley.
    »Sag das noch mal, und ich schlag dich zusammen«, kommt es
von Tom.
    »Ich würde sagen, du bist ein arschgeiler Homo, du bist
ein Scheiße vögelnder, kackewarmer Bruder und denkst Tag und Nacht an nichts
anderes als an Jungs in süßen Badehöschen -«
    Tom stürzt sich auf Farley, wird aber von mehreren Männern
zurückgehalten, sodass sein Hieb ins Leere geht. Allerdings wirkt Farley
schlagartig wach; mit offenem Mund starrt er Tom verdutzt an.
Howard zupft
ihn am Ärmel. »Komm, gehen wir.«
    Während Tom noch mit seinen Greifern ringt, bugsiert Howard
Farley hurtig aus der Kneipe ins winterkalte, eintönige Freie. Über ihnen
flammt die Sonne blutrot durch die Wolken, ein glühender Kohlerest in den
Schlacken der ersterbenden Jahreszeiten. In sicherer Entfernung knöpft er ihn
sich vor. »Was machst du denn für einen Scheiß? Kannst du mir mal sagen, was
das sollte?«
    »Keine Ahnung, Howard.« Farley blickt trübsinnig aufs
Meer. »Aber es sind doch letztlich noch Kinder, verstehst du? Und wir, die sich
um sie kümmern und ihnen Reife und Verantwortung vorleben sollen, wir sind
schlimmer als sie.«
    Howard schubst ihn von sich weg, knirscht mit den Zähnen.
Sie trotten nebeneinander bis zur Hauptstraße, wo Howard fünf Minuten später
mit viel Glück ein Taxi zum Halten bewegen kann. Farleys Vorschlag, zu ihm zu
fahren und sich noch den einen oder anderen Drink zu genehmigen, schlägt er
aus.
    Zu Hause erwarten ihn keine Botschaften auf dem Anrufbeantworter.
Er greift zu Graves und wendet wie betäubt Seite um Seite um. Wir betrachteten den Krieg nicht länger als einen Handelskonflikt: Sein
Fortdauern erschien uns nunmehr lediglich als Opfer der idealistisch
gesonnenen, jüngeren Generation für die Idiotie und den panischen Selbstschutz
der
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