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Mundtot nodrm

Mundtot nodrm

Titel: Mundtot nodrm
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und komplexen Zusammenhänge zu erkennen. Nur ein Beispiel«, erklärte er kurzatmig, »er will den Euro abschaffen, und ein Großteil des Volkes jubelt. Natürlich ist so eine Forderung populär nach all dem, was geschehen ist. Aber die Auswirkungen auf Wirtschaft und Politik wären katastrophal.« Wieder Schnitt. Erneut meldete sich der Reporter selbst zu Wort: »Und die etablierten Parteien, so muss man befürchten, sind in eine Art Schockstarre verfallen. Ihre Umfragewerte sinken in gleicher Weise, wie jene Bleibachs geradezu kometenhaft steigen. Seit sich auch die Gewerkschaften geschlossen hinter ihn stellen, muss damit gerechnet werden, dass sich die Machtverhältnisse in diesem Land erheblich verschieben werden.«
    »So sieht’s aus«, kommentierte Pommes und trank die Bierflasche vollends leer. »Aber es gibt zum Glück auch noch Kräfte, die das verhindern können. Und zwar kurz und schmerzlos.« Er musste rülpsen. Seine Freunde schmunzelten.

4
     
    Es war Abend für Abend dasselbe. Seit Monaten. Manchmal fragte sich Steffen Bleibach, wie lange er dies durchhalten würde. Jetzt ging es schon auf Weihnachten zu und er spürte, wie ihn die Kräfte langsam verließen. Sowohl die physischen als auch die psychischen. Doch die Woge der Sympathie mobilisierte seine letzten Reserven in ihm. Und er fühlte sich von Tag zu Tag mehr dazu berufen, diesem Land aus der Lethargie zu helfen, den Sumpf aus Korruption und Verlogenheit trockenzulegen. Längst allerdings blies ihm der Wind kräftig ins Gesicht. Es gab massive Anfeindungen, sogar Drohungen. Seit Kurzem standen ihm bei seinen Auftritten einige professionelle Bodyguards zur Seite, die sich abwechselten und diese Aufgabe ehrenamtlich übernahmen. Überhaupt konnte sich Bleibach über mangelnde Unterstützung, auch finanzieller Art, nicht beklagen. Er hatte den Eindruck, dass ihm seine Gegner mehr nutzten als schadeten. Denn je mehr sie auf ihn eindroschen, unterstützt von den Medien, die nicht müde wurden, ihn zu diffamieren und in die Nähe anderer ›Populisten‹ zu rücken, umso größer schien der Zuspruch aus der Bevölkerung zu werden. Er vermochte nicht nachzuvollziehen, weshalb man ihm gebetsmühlenartig vorwarf, Stammtisch-Parolen zu verbreiten, wo er doch nur öffentlich sagte, was das Volk dachte. Er stellte sich nicht gegen Recht und Ordnung, nicht gegen geltende Gesetze – ganz im Gegenteil: Es war ihm ein großes Anliegen, alle Menschen, die sich dieser Grundordnung verpflichtet fühlten, gleich zu behandeln und ihre Rechte zu verteidigen. Ohne Ansehen von Person und Herkunft. Doch obwohl er dies immer wieder betonte, versuchte man, ihn in irgendeine politische Ecke zu drängen. Mittlerweile hatte er den Eindruck gewonnen, dass es kapitalstarke Kräfte gab, deren langer Arm bis in die Medien reichte. Wenn er darüber nachdachte, entfalteten sich in ihm unbändige Energien. Er musste durchhalten. Egal, was passierte. Er empfand es als Glücksfall, dass Evelyn trotz allem zu ihm hielt. Sie war Geliebte und Rettungsanker gleichermaßen. Und daran hatte sich auch nichts geändert, seit sie ihren Job als Model professionell ausübte und oft wochenlang kreuz und quer in Deutschland und dem angrenzenden Ausland unterwegs war.
    Auch an diesem Dienstagabend im November, hier vor der Ulmer Donauhalle, musste er an sie denken. Wie traumhaft wäre es, wenn sie diese Nacht gemeinsam verbringen könnten. Denn heute würde die Veranstaltung nicht so stressig werden wie an manch anderen Tagen. Hier in Ulm war es schließlich beinahe ein Heimspiel, dachte er. Obwohl er sich bemühte, ein nahezu akzentfreies Hochdeutsch zu sprechen, fühlte er sich weiter nördlich als Schwabe manchmal ein bisschen unwohl. Während Bayerisch und sogar Österreichisch längst als salonfähig galten, wurde das Schwäbische oftmals naserümpfend belächelt. Aber seit man ihm gesagt hatte, die Schwaben seien in Berlin hinter den Türken die größte ethnische Minderheit, war sein Selbstbewusstsein deutlich gewachsen. Außerdem war auch dem einstigen Fußballbundestrainer Jürgen Klinsmann jederzeit seine schwäbische Herkunft anzuhören. Und dessen Nachfolger Joachim ›Yogi‹ Löw machte auch keinen Hehl daraus, dass er aus dem Badischen kam. Es gab genügend angesehene Persönlichkeiten aus dem Südwesten der Bundesrepublik. Ganz zu schweigen von Carl Benz und Gottlieb Daimler, die der Menschheit die Mobilität beschert hatten.
    Aber jetzt in Ulm fühlte sich Bleibach beinahe
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