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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman
Autoren: H kan Nesser
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so.
    »Werden Sie mich verhaften?«, fragte Mauritz Leverkuhn.
    »Sie warten unten im Polizeirevier auf uns«, sagte Münster.
    »Ich bereue nichts. Ich würde es wieder machen, verstehen Sie das?«
    Münster nickte. Er brauchte jetzt Trost und Verständnis. Münster kannte die Situation. Oftmals war es nicht das Verbrechen an sich, das die Erlösung brachte, nach der der Täter suchte, sondern die Worte. Hinterher darüber reden zu können. Sich Auge in Auge mit einem anderen Menschen erklären zu können. Einem Menschen, der verstand. Einem Wesen, in dem er seine Verzweiflung spiegeln konnte.
    Doch, das hatte er schon vorher erlebt.
    »Es ist nicht in Ordnung, dass so ein Arschloch ohne Strafe durchs Leben kommt ...«
    »Wollen wir fahren?«, fragte Münster. »Den Rest können wir im Revier erledigen.«
    Mauritz Leverkuhn kam auf die Beine. Er wischte sich den Schweiß wieder von der Stirn und atmete schwer.
    »Darf ich vorher noch ein Pulver in der Küche einnehmen?«
    Münster nickte.
    Er ging hinaus, und Münster hörte, wie er eine Tablette in ein Glas warf und das Wasser sprudelte. Mein Gott, dachte er. Es ist vorbei. Ich habe diesen Scheiß hinter mir.

    Zu spät sah Münster ein, dass diese passive Resignation, die Mauritz Leverkuhn in den letzten Minuten an den Tag gelegt hatte, doch nicht so eindeutig war, wie er gedacht hatte. Und zu spät musste er einsehen, dass das Fleischermesser – auf dessen Suche sie im Oktober und Anfang November so viel Mühe verwandt hatten – weder in irgendeinem Kanal noch in einem Mülleimer gelandet war. Es befand sich jetzt in Mauritz Leverkuhns Hand, genau wie in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober. Er entdeckte es aus dem Augenwinkel über der rechten Schulter, bekam das Pistolenhalfter zu fassen, aber weiter kam er nicht. Die Messerschneide drängte sich von hinten in seinen weichen Bauch, er spürte einen lähmenden Schmerz, und dann fiel er vornüber auf den Boden, ohne sich mit den Händen abzustützen.
    Der Schmerz war so stark, dass er ihn paralysierte. Er durchbohrte den ganzen Körper wie ein weiß glühendes Foltereisen. Nahm ihm jegliche Handlungsmöglichkeit. Vernichtete Zeit und Raum. Als er endlich zu weichen begann, hörte er, wie Mauritz Leverkuhn die Wohnungstür zuwarf und davonlief.
    Er drehte den Kopf und empfand das kühle Parkett angenehm an seiner Wange. Sanft und versöhnend. Das ist die Müdigkeit, dachte er. Das wäre nicht passiert, wenn ich nicht so müde gewesen wäre.
    Bevor eine schwarze Welle des Vergessens über sein Bewusstsein schwappte, dachte er zwei Gedanken:
    Der erste galt Synn: Gut, so muss ich nie erfahren, wie es hätte ausgehen können.
    Der andere war nur ein Wort:
    Nein.

40
    Seit Van Veeteren seine Lehrjahre hier oben in der nördlichen Küstenstadt verbracht hatte, war das Polizeirevier von Frigge umgezogen. Oder besser gesagt: Man hatte es in ein neues Haus im gleichen Viertel gestopft und die Ordnungsmacht ungefähr in der gleichen Art untergebracht wie vorher. Van Veeteren war nicht der Meinung, dass man damit etwas gewonnen hatte. Das meiste bestand aus Panzerglas und grauem Beton, und der Dienst habende Polizeibeamte, der sie empfing, war ein junger, rotflaumiger Mann mit abstehenden Ohren. Er erinnerte eine Spur an den alten Borkmann.
    Nun ja, dachte Van Veeteren. Zumindest kann er gut hören.
    »Reinhart und Van Veeteren aus Maardam«, erklärte Reinhart. »Und wie heißen Sie?«
    »Inspektor Liebling«, sagte der Flaumige und schüttelte die Hand.
    »Kommissar Van Veeteren hat hier sogar mal gearbeitet«, berichtete Reinhart weiter. »Aber das war sicher vor Ihrer Geburt.«
    »Ach, wirklich?«, sagte Liebling.
    »In grauer Vorzeit«, präzisierte Van Veeteren. »Spätes neunzehntes Jahrhundert. Haben Sie etwas gehört?«
    »Sie meinen ...?«, fragte Liebling und tastete etwas unruhig nach seinem dünnen Schnurrbart.
    »Er müsste doch verdammt noch mal inzwischen hier sein«, sagte Reinhart. »Es ist doch schon gleich acht.«
    »Der Kommissar Münster aus Maardam«, erklärte Van Veeteren.
    »Ja, ja, ich weiß«, nickte Liebling. »Malinowski hat mir davon berichtet, als ich ihn abgelöst habe. Ich habe die Unterlagen hier.« Er drückte ein paar Mal auf Tasten an seinem Computer und nickte dann bestätigend.
    »Kommissar Münster, ja. Sollte mit einem Verdächtigen erscheinen. . . aber hier ist keiner gewesen. Ich meine, er ist nicht hier aufgetaucht.«

    »Um wie viel Uhr hat er hier Bescheid gesagt?«,
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